Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Inés meines Herzens: Roman (suhrkamp taschenbuch) (German Edition)

Inés meines Herzens: Roman (suhrkamp taschenbuch) (German Edition)

Titel: Inés meines Herzens: Roman (suhrkamp taschenbuch) (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Isabel Allende
Vom Netzwerk:
selbst die verfluchten Engländer besäßen sie schon. Mit den Karten von der Meerenge des Magellan oder den Küsten des Pazifiks verhielt es sich anders; sie wurden von den Steuerleuten mit dem Leben verteidigt, weil sie kostbarer waren als jeder Schatz der Neuen Welt.
    Ich gewöhnte mich nie an das Wogen der Wellen, das Ächzen der Planken, das Knirschen der Eisenbeschläge, das beständige Zerren der Segel im Wind. Nachts tat ich kaum ein Auge zu. Am Tag quälten mich die Enge und vor allem die Blicke wie von geifernden Hunden, mit denen die Männer mir nachstellten. Ich mußte mir einen Platz am Herd erkämpfen, um unser Essen zu kochen, und auch ein wenig Einsamkeit, wenn ich die Latrine benutzte, die nichts war als ein Kabuff mit einem Loch über dem Ozean. Constanza dagegen beklagte sich nie, ja wirkte sogar heiter. Nach einem Monat auf See wurden die Vorräte knapp, und das schon brackige Trinkwasser mußte rationiert werden. Ich schaffte den Hühnerkäfig in unsere Kajüte, weil mir die Eier geklaut wurden, und zweimal am Tag holte ich die Tiere heraus und ließ sie mit einem Strick am Bein übers Deck laufen.
    Einmal mußte ich zur Eisenpfanne greifen, um mich eines Matrosen zu erwehren, der aufdringlicher war als alle anderen, ein gewisser Sebastián Romero, den Namen habe ich nicht vergessen, denn ich weiß, daß wir uns im Fegefeuer wiedersehen. In der drangvollen Enge des Schiffs nutzte dieser Mann jede Gelegenheit, gegen mich zu taumeln, und tat immer, als wäre der Seegang daran schuld. Ich sagte ihm wieder und wieder, er solle mich in Ruhe lassen, aber das schien ihn nur anzustacheln. Eines Abends überraschte er mich, als ich allein in der kleinen Kombüse unter der Brükke werkelte. Noch ehe seine Pranke mich zu fassen bekam, spürte ich seinen stinkenden Atem im Nacken, und ohne lange zu fackeln, drehte ich mich um und zog ihm die Eisenpfanneüber den Kopf wie Jahre zuvor dem armen Juan de Málaga, als der die Hand gegen mich erhob. Sebastián Romeros Schädel war weniger hart als der von Juan, er ging zu Boden und blieb, alle viere von sich gestreckt, einige Augenblicke benommen liegen, während ich Lappen zusammensuchte, um ihn zu verarzten. Die Blutung war weniger stark, als ich erwartet hätte, aber rasch schwoll sein Gesicht an und bekam eine Farbe wie Auberginen. Ich half ihm auf die Beine, und weil die Wahrheit keinem von uns genehm sein konnte, einigten wir uns darauf, daß er sich an einem Balken gestoßen hatte.
    Unter den Passagieren des Schiffs war der Zeichner und Chronist Daniel Belalcázar, den die Krone ausgesandt hatte, um Karten zu zeichnen und Zeugnis von seinen Beobachtungen zu geben. Er war ein Mann in den Dreißigern, schlank und sehnig, hatte ein kantiges Gesicht und die olivenölfarbene Haut eines Andalusiers. Das Haar trug er im Nacken zu einem kurzen Zopf gefaßt, an seinem linken Ohr funkelte ein goldener Ring, und er trabte, um sich zu ertüchtigen, stundenlang vom Bug zum Heck und wieder zurück. Nur einmal hatte sich jemand von der Mannschaft über ihn lustig gemacht, Belalcázar hatte ihn mit einem Fausthieb auf die Nase niedergestreckt und wurde fortan nicht mehr belästigt. Er hatte früh zu reisen begonnen, kannte die entlegenen Küsten Afrikas und Asiens und erzählte uns, er sei einmal in die Gefangenschaft des gefürchteten osmanischen Korsaren Barbarossa geraten und als Sklave nach Algerien verkauft worden, wo er nach vielen Schrecken zwei Jahre später hatte entkommen können. Immer trug er ein dickes, in ein Wachstuch geschlagenes Heft unter dem Arm, in das er mit ameisenkleinen Buchstaben seine Gedanken notierte. Ansonsten zerstreute er sich, indem er die Matrosen bei der Arbeit und vor allem meine Nichte zeichnete. In Vorbereitung auf das Klosterkleidete sich Constanza wie eine Novizin, hatte sich aus grobem Stoff ein Habit genäht und ein Dreieckstuch, das ihren Kopf bis in die Mitte der Stirn bedeckte, keine Strähne ihres Haars sehen ließ und unter dem Kinn festgesteckt wurde. Allerdings verbarg dieser scheußliche Aufzug weder ihre stolze Haltung noch ihre schwarzen, wie Oliven schimmernden Augen. Erst erreichte Belalcázar, daß sie ihm Modell saß, dann, daß sie diesen Lappen vom Kopf nahm, und schließlich, daß sie den Altweiberknoten im Nacken löste und der Brise erlaubte, ihre schwarzen Locken zu zerwühlen. Was die offiziellen, durch Siegel bestätigten Dokumente auch immer über den makellosen Stammbaum unserer Familie sagen mögen, ich

Weitere Kostenlose Bücher