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Inés meines Herzens: Roman (suhrkamp taschenbuch) (German Edition)

Inés meines Herzens: Roman (suhrkamp taschenbuch) (German Edition)

Titel: Inés meines Herzens: Roman (suhrkamp taschenbuch) (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Isabel Allende
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hochentwickelten Kultur wach, die ihm sein Freund Alderete so beredt beschrieben hatte. Was man über das Reich der Inkas hörte, setzte ihn in Erstaunen, auch wenn nicht alles sein Wohlwollen fand. Er wußte, die Inkas waren grausam gewesen und hatten ihr Volk mit harter Hand geführt. Wer ihnen im Kampf unterlag, aber nicht bereit war, sich dem Reich vollständig zu unterwerfen, wurde niedergemetzelt, und beim geringsten Anzeichen von Auflehnung siedelte man ganze Dörfer in tausend Meilen entfernte Gebiete um. Schlimmste Marterqualen drohten den Feinden der Inkas, selbst Frauen und Kinder blieben nicht verschont. Der oberste Herrscher ehelichte seine Schwestern, um die Reinheit des königlichen Bluts sicherzustellen, er verkörperte die Gottheit, die Seele des Reichs, seine Vergangenheit, Gegenwart und Zukunft. Von Atahualpa hieß es, er habe Tausende junger Gespielinnen sein eigen genannt und ein unüberschaubares Heer von Sklaven, er habe Vergnügen dabei empfunden, seine Gefangenen zu foltern, und seinen Ministern oft eigenhändig den Kopf abgeschlagen. Stummund gesichtslos lebte das geknechtete Volk; von der Wiege bis zur Bahre mußte es schuften für die Orejones, die Kaste der Höflinge, Priester und Feldherren, die in babylonischem Prunk lebten, während der gemeine Mann mit seiner Familie ein karges Dasein fristete auf einem Stückchen Akkerland, das ihm zugeteilt war, ihm aber nicht gehörte. Die Inkas hatten sie zwar verboten, aber wenn es stimmte, was die Spanier sagten, dann trieben viele Indios Sodomie, auf die in Spanien der Tod stand. Wie wollüstig diese Menschen waren, konnte man an den erotischen Keramiken sehen, mit denen die Perufahrer in den Tavernen ihre Trinkkumpane erheiterten, die sich nie hätten träumen lassen, daß man auf so vielfältige Art sündigen kann. Auch hieß es, die Mütter entjungferten ihre Töchter mit den Fingern, ehe sie sie einem Mann übergaben.
    Valdivia fand nichts Verwerfliches an der Hoffnung, in Peru ein Vermögen zu finden, doch was ihn antrieb, war einzig die Pflicht, den Seinen beizustehen, und der Wunsch, den Ruhm zu erringen, der ihm bislang versagt geblieben war. Das unterschied ihn von den übrigen Teilnehmern dieser Hilfsexpedition, die geblendet waren vom Glanz des Goldes. Ich weiß das von ihm selbst, er hat es oft gesagt, und ich habe ihm geglaubt, weil er sich bei anderen Entscheidungen in seinem Leben genauso verhielt. Jahre später war es eben dies, was ihn dazu brachte, den endlich doch erlangten Reichtum und die Sicherheit zu verlassen und die Eroberung Chiles zu versuchen, an der Diego de Almagro gescheitert war. Ruhm, immer war der Ruhm der Leitstern seines Handelns. Niemand hat Pedro je geliebt wie ich und niemand ihn besser gekannt, deshalb darf ich von seinen Vorzügen sprechen, wie ich später von seinen Schwächen werde sprechen müssen, die nicht unerheblich waren. Es stimmt, er hat mich verraten, und mir gegenüber war er feige, aber selbst die aufrechtesten und mutigsten Männer pflegen uns Frauen im Stich zu lassen. Und eines weiß ichsicher: Pedro de Valdivia war einer der aufrechtesten und mutigsten Männer, die je die Neue Welt betraten.
    Valdivia überquerte den Isthmus von Panama und schiffte sich im Jahr 1537 zusammen mit vierhundert Soldaten nach Peru ein. Zwei Monate war er unterwegs, und als er schließlich ankam, war der Aufstand der Indios durch das glückliche Eingreifen von Diego de Almagro bereits erstickt worden, der rechtzeitig aus Chile zurückgekehrt war, um seine Streitmacht mit der Francisco Pizarros zu vereinen. Auf seinem Weg nach Süden hatte Almagro eisigen Höhen getrotzt, hatte unermeßliche Qualen überstanden und war schließlich, geschlagen, durch die heißeste Wüste der Erde zurückgekehrt. Seine Expedition nach Chile hatte ihn bis zu den Ufern des Flusses Bío Bío geführt, an dem schon die Inkas siebzig Jahre zuvor hatten umkehren müssen, nachdem ihr Versuch, sich der Gebiete der Indios des Südens zu bemächtigen, gescheitert war. Wie Almagro und seine Mannen waren auch die Inkas vom kriegerischen Volk der Mapuche aufgehalten worden.
    Mapu-ché , »Menschen der Erde«, so nennen sie sich selbst, auch wenn man heute oft den volltönenden Namen »Araukaner« hört, der ihnen vom Dichter Alonso de Ercilla y Zúñiga in seinem Epos über den Krieg zwischen Spaniern und Eingeborenen verliehen wurde, ich weiß nicht, wie er darauf kam, vielleicht wegen Arauco, einer Siedlung im Süden. Für mich werden sie

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