Inés meines Herzens: Roman (suhrkamp taschenbuch) (German Edition)
Behältnissen. Kleine Brotstückchen wurden gegessen, mit der Hand vor Stirn und Brust gewedelt, das Haupt unter der Hand eines Viracochas in Schwarz gesenkt, dann grüßte man einander aus der Ferne, und endlich, nachdem dieser Tanz schon fast zwei Stunden gedauert hatte, beeilte man sich, einander umzubringen. Das geschah methodisch und mit Ingrimm. Über Stunden kämpften die Spanier Mann gegen Mann und brüllten wie aus einer Kehle »Es lebe der König und Spanien!« und »Sankt Jakob, hilf, und auf sie!« In dem Wirrwarr war bald nicht mehr zu erkennen, wer wer war, der Staub, den die Hufe der Pferde und die Stiefel der Männer aufwirbelten, färbte alle Streiter gleichmäßig ockergelb. Die Indios applaudierten, schlossen Wetten ab, verspeisten die mitgebrachten gegrillten Maiskolben und das Pökelfleisch, kauten Kokablätter, tranken Chicha, ereiferten sich und wurden müde, weil der erbitterte Kampf kein Ende nehmen wollte.
Als der Tag sich neigte, stand Pizarros Sieg dank der militärischen Könnerschaft seines Oberfeldmeisters fest, und Pedro de Valdivia war der Held des Tages, aber den letzten Befehl gab Hernando Pizarro: »Schlachtet sie!« Seine Soldaten sollten im nachhinein nicht erklären können, woher ihrneu entflammter Haß kam, und die Chronisten keine beschönigenden Worte finden für das Blutbad, das die Pizarroanhänger unter Hunderten ihrer Landsleute anrichteten, von denen viele einst ihre Gefährten gewesen waren bei dem tollkühnen Wagnis, Peru zu finden und zu erobern. Sie mordeten die Verwundeten des gegnerischen Lagers, und dann hielten sie mit Pulver und Schwert Einzug in Cuzco, schändeten die Frauen, Spanierinnen, indianische Frauen, Negerinnen, einerlei, sie raubten und brandschatzten, bis sie es leid waren.
Barbarisch wie die Inkas sprangen sie mit den Besiegten um, und das will etwas heißen, denn die waren nie zimperlich gewesen, man denke nur daran, daß es bei ihnen üblich war, einen Verurteilten an den Füßen aufzuhängen und ihm die eigenen Eingeweide um den Hals zu schlingen oder ihm bei lebendigem Leib die Haut abzuziehen und Trommeln damit zu bespannen. Ganz so weit gingen die Spanier damals nicht, zu groß war ihre Eile, wie mir von einigen Überlebenden berichtet wurde. Nach der Schlacht waren die Indios von den umliegenden Hängen herabgeströmt, hatten vor Freude gejubelt, weil dies eine Mal nicht sie die Opfer waren, und dann hatten sie viele Soldaten Almagros niedergemacht, die nicht sofort durch die Hand ihrer Landsleute gestorben waren. Sie feierten, indem sie die Leichen schändeten; mit Messern und Steinen machten sie Hackfleisch aus ihnen. Für Valdivia, der seit seinem zwanzigsten Lebensjahr an vielen Fronten und gegen mannigfache Feinde gekämpft hatte, war es ein beschämender Tiefpunkt seines Soldatenlebens. Oft erwachte er schreiend in meinen Armen, weil ihn seine geköpften Kameraden im Traum verfolgten, wie ihn einst nach der Plünderung von Rom die Mütter verfolgt hatten, die sich aus Furcht vor der Soldateska mit ihren Kindern in den Tod stürzten.
Diego de Almagro, der über sechzig Jahre alt war und gezeichnet von seiner Krankheit und den Entbehrungen der Chile-Expedition, wurde gefangengesetzt, gedemütigt und einem Gerichtsverfahren unterworfen, das sich zwei Monate hinzog und ihm keine Möglichkeit zur Verteidigung ließ. Als man ihm sein Todesurteil verkündete, bat er darum, daß Pedro de Valdivia, der Oberfeldmeister des feindlichen Lagers, Zeuge seiner letzten Verfügungen wäre; kein anderer besaß wie er sein vorbehaltloses Vertrauen.
Diego de Almagro war noch immer eine stattliche Erscheinung, obwohl die Syphilis und die vielen geschlagenen Schlachten ihre Spuren hinterlassen hatten. Er trug eine schwarze Augenklappe, weil ihn bei einem Zusammenstoß mit Wilden ein Pfeil ins Auge getroffen hatte. Das war noch vor der Entdeckung Perus gewesen, und damals hatte er sich mit einem Ruck den Pfeil mitsamt dem aufgespießten Auge herausgezogen und weitergekämpft. Drei Finger seiner rechten Hand waren ihm in derselben Schlacht von einer scharfen Steinaxt abgetrennt worden, er hatte das Schwert in die Linke gewechselt und so, blind und blutüberströmt, weitergefochten, bis seine Kameraden ihn bargen. Die Wunden hatte man ihm mit glühenden Eisen und siedendem Öl ausgebrannt, und sein Gesicht blieb für immer entstellt, doch seinem offenen Lachen und seiner Freundlichkeit tat das keinen Abbruch.
»Auf dem Platz soll er gemartert werden, vor
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