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Inés meines Herzens: Roman (suhrkamp taschenbuch) (German Edition)

Inés meines Herzens: Roman (suhrkamp taschenbuch) (German Edition)

Titel: Inés meines Herzens: Roman (suhrkamp taschenbuch) (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Isabel Allende
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zeit meines Lebens Mapuche heißen, da sie sich nun einmal selbst so nennen. Es scheint mir nicht gerecht, ihren Namen nur um des Reimes willen zu ändern: araukanisch, spanisch, martialisch, Harnisch und über Tausende von Versen so fort. Als wir ersten Spanier auf diesem Boden kämpften, war der dichtende Alonso noch ein kleiner Bengel in Madrid; er kam ein wenig verspätet zur Eroberung Chiles, doch in seinen Versen werden die großen Taten die Jahrhunderte überdauern. Wenndie Knochen der tapferen Gründer Chiles längst zu Staub zerfallen sind, wird man unserer noch gedenken durch das Werk dieses jungen Mannes, der sich nicht immer treu an die Tatsachen gehalten hat und manche Wahrheit seinem Wunsch nach dem schönen Endreim opferte. Außerdem kommen wir nicht eben gut weg bei ihm, ich fürchte, viele seiner Verehrer werden ein etwas verzerrtes Bild vom Krieg in Araukanien bekommen. Der Dichter wirft den Spaniern vor, sie seien grausam und maßlos in ihrer Gier nach Besitz, während er die Mapuche in den Himmel hebt, sie als kampfesmutig, edel, ritterlich und gerecht beschreibt und sogar behauptet, sie seien ihren Frauen gegenüber zartfühlend. Ich meine, sie besser zu kennen, immerhin verteidige ich seit vierzig Jahren das, was wir in Chile erschaffen haben, und Alonso war kaum ein paar Monate hier. Ich bewundere die Mapuche für ihre Beherztheit und die unverbrüchliche Liebe zu ihrem Land, aber ich kann versichern, daß sie nicht der Inbegriff von Mitgefühl und Sanftmut sind. Die romantische Liebe, die Alonso so verklärt, ist ziemlich selten bei ihnen. Jeder Mann hat etliche Frauen, die er wie Arbeitstiere und Zuchtvieh behandelt; das jedenfalls berichten die Spanierinnen, die von ihnen verschleppt wurden. Diese armen Frauen wurden in der Gefangenschaft so qualvoll erniedrigt, daß viele aus Scham nie wieder in den Schoß ihrer Familien zurückkehren wollen. Zugegeben, die Spanier behandeln die indianischen Frauen, die für ihre Lust und ihren Dienst bestimmt sind, auch nicht besser. In anderer Hinsicht sind uns die Mapuche allerdings überlegen, so kennen sie zum Beispiel die Habgier nicht. Gold, Ländereien, Titel, Würden, das alles ist ihnen gleichgültig; sie besitzen kein Dach über dem Kopf als den Himmel, keine Bettstatt als das Moos, streifen frei durch die Wälder und galoppieren, den Wind in den Haaren, auf den Pferden, die sie uns gestohlen haben. Und noch etwas muß ich an ihnen loben, sie halten sich nämlich an das einmal gegebene Wort. Nicht siebrechen die Absprachen, sondern wir. Im Krieg greifen sie überraschend an, aber nie in heimtückischer Weise, und im Frieden respektieren sie die Übereinkunft. Ehe wir kamen, kannten sie die Folter nicht und achteten ihre Kriegsgefangenen. Ihre schlimmste Strafe ist die Verbannung, aus Familie und Stamm ausgestoßen zu werden fürchten sie mehr als den Tod. Schwere Vergehen werden mit einer schnellen Hinrichtung geahndet. Der Verurteilte gräbt sein eigenes Grab, in das er Zweige und Steinchen wirft und dabei die Namen derjenigen nennt, die ihn ins Jenseits begleiten sollen, dann wird er durch einen Knüppelhieb über den Schädel getötet.
    Ich staune über die Macht von Alonsos Versen, die die Geschichte erfinden, dem Vergessen trotzen und es besiegen. Worten wie den meinen, ohne Reim, fehlt die Kraft der Poesie, und doch muß ich die Ereignisse aus meiner Sicht schildern und Zeugnis geben von den Mühen, die wir Frauen in Chile auf uns genommen haben und die den Chronisten, auch den sorgfältigsten, in der Regel entgehen. Wenigstens Du, Isabel, sollst wissen, wie es wirklich war, denn mein Herz nennt Dich Tochter, auch wenn mein Schoß Dich nicht geboren hat. Für mich wird man wohl einst auf Plätzen Denkmäler errichten, wird Straßen und Städte nach mir benennen, nach Pedro de Valdivia und anderen Konquistadoren, aber Hunderte tapferer Frauen, die Siedlungen gründeten, während ihre Männer im Krieg stritten, wird man vergessen. Doch ich schweife ab. Ich sollte in meiner Schilderung fortfahren, die Zeit wird knapp, mein Herz ist müde.
    Diego de Almagro ließ von der Eroberung Chiles ab, zu groß war der Widerstand der Mapuche, der Druck der Soldaten, die über den Mangel an Gold murrten, und zu schlecht die Nachrichten vom Aufstand der Indios in Peru. Er kehrte zurück, um Francisco Pizarro bei der Niederschlagung der Erhebung zu helfen, und gemeinsamerrangen sie den endgültigen Sieg über die feindliche Streitmacht. Das Reich der Inkas,

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