Inés meines Herzens: Roman (suhrkamp taschenbuch) (German Edition)
Männer, bei denen jede Frau zunächst schwach wird, sich dann aber wünscht, eine andere hätte ihn genommen, weil sie einem nichts als Kummer machen. Er gab sich nicht die Mühe, verführerisch zu sein, wie er sich auch sonst keine gab, sein bloßes Auftreten als schmucker Bursche verdrehte den Frauen den Kopf; seit er mit vierzehn Jahren begonnen hatte, seine Reize auszuspielen, lebte er auf Kosten seiner Verehrerinnen. Lachend erzählte er mir, er wisse nicht mehr, wie viele Frauen ihren Ehemännern wegen ihm Hörner aufgesetzt hätten und wie oft er noch eben mit knapper Not einem eifersüchtigen Gatten entwischt sei. »Aber damit ist jetzt Schluß, Liebste, jetzt habe ich ja dich«, beruhigte er mich und schielte dabei zu meiner Schwester hinüber. Wegen seiner angenehmen Erscheinung und seiner Umgänglichkeit war er auch unter Männern beliebt; er war ein gefragter Trinkgefährte und Spieler, verfügte über einen unerschöpflichen Fundus schlüpfriger Geschichten und spann immer neue, aberwitzige Pläne, wie sich leicht ein Vermögen machen ließe. Ich hatte bald begriffen, daß sein Denken auf die Ferne und das Morgen gerichtet war und sich mit dem Greifbaren nicht zufriedengab. Wie so viele andere in jenen Tagen trieben auch ihn die sagenhaften Geschichten aus der Neuen Welt um, wo unermeßlicher Reichtum und Ruhm jedem zuteil werden konnten, der Manns genug war, den Gefahren zu trotzen. Er glaubte sich zu großen Taten berufen wie einst Christoph Kolumbus, der mit nichts als seiner Todesverachtung aufs Meer hinausgefahren war und den anderen Teil der Welt gefunden hatte,oder Hernán Cortés, der mit Mexiko die kostbarste Perle des spanischen Weltreichs sein eigen nannte.
»Aber es heißt doch, in diesen Weltgegenden sei schon alles entdeckt«, wollte ich ihm sein Vorhaben ausreden.
»Was weißt denn du, Mädchen! Nicht einmal die Hälfte der Neuen Welt ist bisher erobert. Von Panama südwärts erstreckt sich unberührtes Land, und das birgt mehr Schätze als die von Süleiman.«
Seine Pläne machten mir angst, bedeuteten sie doch, daß wir uns würden trennen müssen. Außerdem hatte ich von meinem Großvater gehört, der es seinerseits aus den Tavernen wußte, die Azteken in Mexiko würden Menschen opfern. In Reihen von einer Meile Länge warteten Tausende und Abertausende unglücklicher Gefangener darauf, die Altarstufen der Tempel zu erklimmen, wo ihnen die heidnischen Priester – behaarte Schauerwesen, verkrustet von getrocknetem Blut und von frischem Blut triefend – mit einem Messer aus Obsidian das Herz herausrissen. Die Leiber stürzten die Steinstufen hinab und türmten sich unten zu Bergen verwesenden Fleischs. Die Stadt schwamm in einem See aus Blut, die Aasvögel waren so überfressen an menschlichen Kadavern, daß sie sich nicht mehr in die Luft schwingen konnten, und die fleischgierigen Ratten wurden groß wie Hütehunde. Keinem Spanier war dieses Geschehen unbekannt, aber Juan schreckte es nicht.
Während ich von Sonnenaufgang bis tief in die Nacht hinein stickte und nähte und so Geld für unsere Hochzeit sparte, brachte Juan seine Tage in Tavernen und auf Plätzen zu, machte keuschen Mädchen wie Dirnen gleichermaßen schöne Augen, unterhielt die Umsitzenden mit seinen Späßen und träumte davon, sich nach den Neuen Indien einzuschiffen, dem, wie ihm schien, einzig möglichen Ziel für einen Mann von seinen Anlagen. Manchmal verschwand er für Wochen, sogar Monate, und war dann ohne ein Wort der Erklärung wieder da. Wo er gewesen war? Er sagte esnie, aber weil er so häufig davon sprach, den Ozean zu überqueren, lachten die Leute über ihn und nannten mich »Indienbraut«. Ich ertrug sein Vagabundenleben geduldiger, als es ratsam gewesen wäre, weil mein Denken umnebelt war und mein Leib glühte, wie es mir stets widerfährt, wenn ich liebe. Juan erheiterte mich mit schelmischen Liedern und Versen, er brachte mich zum Lachen, ich schmolz unter seinen Küssen. Er mußte mich nur berühren, und aus meinen Beschwerden wurde Seufzen, aus meinem Unmut Verlangen. Wie nachsichtig ist doch die Liebe, die alles verzeiht!
Ich weiß noch, wie wir uns das erste Mal fanden, verborgen im Dickicht des Waldes. Es war Sommer, die Erde pochte warm und fruchtbar, es duftete nach Lorbeer. Wir hatten Plasencia auf getrennten Wegen verlassen, damit es kein Gerede gab, und waren jeder für sich den Hügel vor der ummauerten Stadt hinunter gelaufen. Am Fluß trafen wir uns und rannten Hand in Hand
Weitere Kostenlose Bücher