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Inés meines Herzens: Roman (suhrkamp taschenbuch) (German Edition)

Inés meines Herzens: Roman (suhrkamp taschenbuch) (German Edition)

Titel: Inés meines Herzens: Roman (suhrkamp taschenbuch) (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Isabel Allende
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Schulden zu bezahlen. Er trank zuviel und besuchte die Straße der Dirnen, wo er sich oft für Tage verlor, bis ich ein paar Knechte bezahlte, damit sie ihn heimholten. Sie brachten ihn mir verlaust und beschämt zurück; ich kämmte ihm die Läuse aus dem Haar und schürte seine Scham. Ich hörte auf, seinen wie in Stein gemeißelten Torso und sein römisches Profil zu bewundern, und begann meine Schwester Asunción um ihren Mann zu beneiden, der wie ein Wildschwein aussah, aber tüchtig arbeitete und seinen Kindern ein guter Vater war. Juan wurde verdrossen und ich mutlos, daher versuchte ich nicht, ihn zurückzuhalten, als er mir schließlich eröffnete, er werde in die Neue Welt aufbrechen und nach El Dorado suchen, einer Stadt aus purem Gold, in der die Kinder mit Topasen und Smaragden spielen. Wenige Wochen später stahl er sich bei Nacht und Nebel und ohne Lebewohl zu sagen davon, mit einem Bündel Kleider und meinen letzten Maravedis, die er aus dem Versteck hinterm Küchenherd mitnahm.
    Juan hatte es geschafft, mich mit seinen Träumen anzustekken, obwohl ich nie mit eigenen Augen einen Wagemutigen gesehen hatte, der als reicher Mann aus den Neuen Indien heimgekehrt wäre, im Gegenteil, sie waren alle elend, krank und um den Verstand gebracht. Die ein Vermögen gemacht hatten, hatten es wieder verloren, und die Besitzer der unüberschaubar großen Ländereien, die es dort angeblich gab, konnten ihre Habe ja nicht mitbringen. Und doch vermochte alle Vernunft nichts gegen die Verlockungen der Neuen Welt. Hieß es nicht, durch die Straßen von Madrid rollten Leiterwagen voller Barren indianischen Goldes? Ich glaubte zwar nicht wie Juan an eine Stadt aus purem Gold, in der verwunschene Wasser einem ewige Jugend schenken,oder an Amazonen, die sich mit den Männern ergehen und sie zum Abschied mit Edelsteinen überhäufen, ahnte aber doch, es könnte dort etwas weit Kostbareres zu finden sein: Freiheit. In den Neuen Indien war jeder sein eigener Herr, man mußte sich niemandem beugen, konnte Fehler machen und noch einmal neu beginnen, ein anderer sein, ein neues Leben wagen. Niemand trug dort lange an einer Schande, und selbst der Jämmerlichste konnte zu Ruhm gelangen. »Über mir nur meine Mütze mit Federbusch«, hatte Juan oft gesagt. Wäre ich ein Mann gewesen, ich hätte dieses Wagnis auf mich genommen. Wie sollte ich es Juan da verdenken?
    Als mein Ehemann fort war, kehrte ich nach Plasencia zur Familie meiner Schwester und zu meiner Mutter zurück, denn mein Großvater war mittlerweile gestorben. Jetzt war auch ich eine »Indienwitwe« wie so viele andere in der Extremadura. Es wurde erwartet, daß ich Trauer trug, mein Gesicht hinter einem dichten Schleier verbarg, dem gesellschaftlichen Leben entsagte und mich der treusorgenden Kontrolle meiner Familie, meines Beichtvaters und der Obrigkeit unterwarf. Gebet, Arbeit und Einsamkeit, mehr hielt die Zukunft für mich nicht bereit, aber ich tauge nicht zum Opferlamm. Den Konquistadoren mochte es übel ergehen in den Neuen Indien, weit übler erging es ihren Frauen, die in Spanien bleiben mußten. Der Überwachung durch meine Schwester und meinen Schwager konnte ich leicht entgehen, weil die beiden sich vor mir ähnlich fürchteten wie vor meiner Mutter und nicht allzuviel fragten; ihnen genügte, daß ich nicht für Gerede sorgte. Ich kümmerte mich weiter um die Kundinnen für meine Handarbeit, verkaufte Empanadas auf der Plaza Mayor und erlaubte mir sogar das Vergnügen, manches Volksfest zu besuchen. Außerdem ging ich den Nonnen im Hospital bei der Pflege der Kranken, der Opfer von Pest und Messerstechereien zur Hand, weil ich schon als junges Mädchen die Kunst des Heilens hatte lernen wollen, ohne zu ahnen, daß sie mir einst im Lebenvon unschätzbarem Wert sein würde, genau wie mein Talent für die Küche und für das Auffinden von Wasser. Wie meine Mutter besaß auch ich die angeborene Gabe, unterirdisches Wasser aufzuspüren. Wir beide begleiteten häufig einen Bauern und zuweilen sogar einen adligen Landherrn über die Felder, um die Stelle zu finden, wo der Brunnen gegraben werden sollte. Es ist ganz einfach, man muß nur mit leichter Hand eine Rute von einem gesunden Baum halten und das Gelände abschreiten, bis die Rute sich in der Nähe des verborgenen Wassers zur Erde neigt. Dort heißt es dann graben. Weil ein Brunnen in der Extremadura ein wahrer Schatz ist, sagten die Leute, meine Mutter und ich könnten uns diese Gefälligkeit vergolden

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