Inés meines Herzens: Roman (suhrkamp taschenbuch) (German Edition)
Verdienste hatte Rodrigo de Quiroga sich erworben, hatte sich als untadlig erwiesen und war zu Pedros bevorzugtem Hauptmann und bestem Freund geworden. Ich wußte, daß er in mich verliebt war, eine Frau weiß das immer, auch wenn keine Geste und kein Wort es verrät. Rodrigo hätte es selbst im stillen bei sich nicht einzugestehen gewagt, seine Treue zu Valdivia, seinem Befehlshaber und Freund, verbot es ihm. Auch ich liebte ihn wohl – man kann zwei Männer zur gleichen Zeit lieben –, aber ich behielt meine Gefühle für mich, um Rodrigos Ehre und sein Leben nicht zu gefährden. Aber noch ist es zu früh, davon zu berichten, ich sollte es mir für später aufheben.
Manches habe ich Dir nie erzählt, weil das tägliche Treiben mich zu sehr in Anspruch nahm, und wenn ich es jetzt nicht aufschreibe, nehme ich es mit ins Grab. Obwohl ich mich redlich mühe, genau zu sein, habe ich vieles ausgelassen. Ich muß mich auf das Wesentliche beschränken, aber gewiß habe ich keinen Verrat an der Wahrheit begangen. Dies ist meine Geschichte und die eines Mannes, DonPedro de Valdivia, dessen heroische Taten von den Chronisten sorgsam festgehalten wurden und in ihren Schriften alle Zeit überdauern werden; und doch weiß ich von ihm, was die Geschichtsschreibung nie wird herausfinden können: was er fürchtete und wie er liebte.
Meine Liaison mit Pedro de Valdivia brachte alles in mir ins Wanken. Ich konnte nicht sein ohne ihn, ein Tag, an dem ich ihn nicht sah, machte mich fiebrig, eine Nacht, in der ich nicht in seinen Armen lag, wurde zur Marter. Zu Anfang war es weniger Liebe als blindwütiges, entfesseltes Verlangen, das er zum Glück erwiderte, sonst hätte ich den Verstand verloren. Später, als wir die Prüfungen des Lebens zusammen bewältigten, gab die Leidenschaft den Weg für die Liebe frei. Ich bewunderte und begehrte ihn gleichermaßen, war überwältigt von seiner Tatkraft, hingerissen von seinem Mut und seinem Idealismus. Valdivia mußte kein Aufheben um seine Befehlsgewalt machen, wo er erschien, hörten die Leute auf ihn, sein Wesen war beeindruckend, unwiderstehlich, aber wenn wir allein waren, wurde er ein anderer. In meinem Bett war er mein, gab sich mir rückhaltlos hin wie ein Junge, der zum erstenmal liebt. Er war das rauhe Soldatenleben gewohnt, war ungeduldig und rastlos, und doch konnten wir ganze Tage mit Nichtstun vertändeln, uns allein der Aufgabe widmen, einander kennenzulernen, und drängten darauf, uns die Einzelheiten unseres Lebens zu erzählen, als müßten wir noch vor Ablauf der Woche der Welt entsagen. Ich zählte die Tage und Stunden, die wir miteinander verbrachten, sie waren mein Schatz. Pedro zählte unsere Nächte und Küsse. Heute, mit dem Abstand, den das Alter und die verflossene Liebe bringen, erscheint mir diese Leidenschaft erdrückend, und ich staune, daß keiner von uns beiden vor ihr zurückscheute.
Pedro verbrachte seine Nächte bei mir, und wenn er etwas in der Stadt der Könige zu erledigen hatte oder seineBesitzungen in Porco und La Canela besuchte, dann nahm er mich mit. Ich sah ihn gern zu Pferd – so martialisch – und bewunderte seine natürliche Autorität seinen Untergebenen und Waffenbrüdern gegenüber. Er wußte vieles, von dem ich ahnungslos war, erzählte mir von dem, was er las, teilte seine Gedanken mit mir. Freigebig beschenkte er mich mit prunkvollen Kleidern, mit Stoffen, Geschmeide und Goldmünzen. Erst war mir diese Großzügigkeit lästig, weil es mir vorkam, als wollte er sich meine Gunst erkaufen, aber später sah ich es gelassen. Ich hortete meine Schätze in der Hoffnung, meine Zukunft damit einigermaßen abzusichern. »Man weiß nie, was passiert«, hatte meine Mutter immer gesagt und mir beigebracht, mein Erspartes gut zu verstecken. Obendrein hatte ich bald gemerkt, daß Pedro kein guter Verwalter war und sich für sein Vermögen nicht sonderlich interessierte; wie jeder spanische Edelmann glaubte auch er sich erhaben über Arbeit und wußte das schnöde Geld zwar wie ein Graf auszugeben, aber nicht zu verdienen. Daß Pizarro ihm diese Ländereien und die Mine verliehen hatte, nahm er als glückliche Fügung wie selbstverständlich hin, hätte diesen Besitz aber ebenso selbstverständlich wieder fahrenlassen. Einmal wagte ich, ihm das zu sagen, schließlich hatte ich von klein auf für mein Auskommen arbeiten müssen, und Verschwendung ging mir gegen die Natur, aber er brachte mich mit einem Kuß zum Schweigen. »Gold ist zum Ausgeben da,
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