Inés meines Herzens: Roman (suhrkamp taschenbuch) (German Edition)
Mißgunst, verleitete zu Verrätereien, weichte die Sitten auf und richtete Seelen zugrunde. Chile indes schien ihm wie dafür geschaffen, um fernab von den Höflingen der Stadt der Könige eine gerechte Gesellschaft zu bauen, die auf harter Arbeit und auf Ackerbau gründete und nicht auf dem unredlich angehäuften Reichtum aus den Minen und der Sklavenarbeit. Selbst die Religion würde schlicht sein in Chile, er hatte die Schriften des Erasmus gelesen und würde gütige Priester ins Land holen, redliche Diener des Herrn, nicht eine Blase käuflicher Ordensbrüder. Die Nachfahren der Gründer würden ernste, ehrbare, aufrechte und gesetzestreue Chilenen sein. Unter ihnen würde es keine Aristokraten geben, sie waren ihm verhaßt, denn nichts war ein ererbter Titel wert gegen einen, der durch ein würdiges Dasein und eine edle Seele errungen wird. Stundenlang hörte ich ihn so reden, ich bekam feuchte Augen, und das Herz wollte mir übergehen, wenn ich mir dieses utopische Land ausmalte, das wir gemeinsam erschaffen würden.
Nachdem er Wochen in den Sälen und Fluren des Palasts zugebracht hatte, war Pedro mit seiner Geduld fast am Ende und überzeugt, Pizarro werde ihm die Ermächtigung niemals erteilen, aber ich war mir sicher, daß er sie bekommen würde. Die Verzögerung mußte einen nicht wundern, der Gouverneur war kein Freund des geraden Wegs; er heuchelte Sorge wegen der Gefahren, die seinen »Freund« in Chile erwarteten, aber im Grunde mußte es ihm recht sein, wenn er Valdivia loswurde und davor gefeit war, daß sein Oberfeldmeister ihn mit seinem Ansehen in den Schatten stellte oder gegen ihn konspirierte. Die Ausgaben, das Risiko und die Schinderei würden zu Lasten von Valdivia gehen, die unterworfenen Landstriche jedoch dem Gouverneur von Peru unterstehen; Pizarro hatte bei dem gewagten Unterfangen nichts zu verlieren, er gedachte nicht, auch nur einen Maravedi dazu beizutragen.
»Chile gilt es noch zu erobern und zu bekehren, Exzellenz, als Untertanen seiner Majestät des Königs sollten wir diese Pflicht nicht aus den Augen verlieren«, brachte Valdivia vor.
»Ihr werdet schwerlich Männer finden, die bereit sind, mit Euch zu gehen, Don Pedro.«
»Unter Spaniern hat es nie an beherzten Streitern gemangelt, Exzellenz. Sobald sich die Kunde von der Expedition nach Chile verbreitet, wird es gerüstete Männer mehr als genug geben.«
Als die Frage der Finanzierung geklärt war und also feststand, daß Valdivia für alles aufkommen würde, willigte der Marqués scheinbar widerstrebend ein und nahm umgehend die reiche Silbermine und die Ländereien zurück, die er seinem braven Oberfeldmeister erst kürzlich verliehen hatte. Den kümmerte das nicht. Für Marinas Wohlergehen in Spanien hatte er gesorgt, und sein eigenes Vermögen war ihm gleichgültig. Er besaß neuntausend Goldpeso und die nötigen Dokumente für seine Unternehmung.
»Eine Bewilligung fehlt noch«, erinnerte ich ihn.
»Ja?«
»Meine. Sonst kann ich nicht mit dir gehn.«
Pedro lobte vor dem Marqués in höchsten Tönen meine Kenntnisse beim Versorgen von Kranken und Verletzten, mein Geschick mit Nadel und Faden und meine Kochkünste, alles unverzichtbar für eine solche Reise, sah sich aber nur mit neuer höfischer Mißgunst und moralischen Bedenken konfrontiert. Ich lag Pedro in den Ohren, bis er eine persönliche Audienz bei Pizarro für mich erwirkte. Mitnehmen wollte ich ihn nicht, manches läßt sich für eine Frau allein besser bewerkstelligen.
Ich war morgens zur angegebenen Zeit im Palast, mußte aber stundenlang in einem Saal voller Menschen warten, die wie ich ihre Bitten vorzubringen wünschten. Der Raum war mit Zierat überladen und von einer Reihe Kerzen in silbernen Kandelabern schummrig erhellt; draußen war es noch trüber als sonst, durch die hohen Fenster drang kaum Tageslicht. Als ich den Bedienten sagte, ich komme auf Empfehlung von Pedro de Valdivia, brachten sie mir einen Stuhl, während die anderen Bittsteller weiter stehen mußten; einige kamen schon seit Monaten täglich hier her, und aus ihren Mienen sprach bereits aschgraue Resignation. Ich wartete gelassen und tat, als sähe ich die schrägen Blicke mancher Anwesenden nicht, die zweifellos um meine Liaison mit Pedro de Valdivia wußten und sich wohl fragten, wie eine unbedeutende Näherin, eine Konkubine, es wagen konnte, um eine Audienz beim Gouverneur nachzusuchen. Gegen Mittag kam ein Sekretär und sagte, ich sei an der Reihe. Ich folgte ihm in einen
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