Inés meines Herzens: Roman (suhrkamp taschenbuch) (German Edition)
beide, was es heißt, wirklich zu lieben, denn bis dahin hatten wir nie erfahren, wie Leib und Seele eins werden. An Juan hatte ich mich nur körperlich erfreut, er sich an Marina nur im Geiste; miteinander erlebten wir die Liebe vollständig.
Zwei Tage verließ Valdivia mein Haus nicht. Die Fensterläden blieben geschlossen, es wurden keine Empanadas gebacken, die Mädchen gingen stumm und auf Zehenspitzen umher, und Catalina sah zu, daß die Bettler etwas Maissuppe bekamen. Uns brachte sie Wein und Essen ans Bett; außerdem bereitete sie einen Zuber mit warmem Wasser, damit wir uns waschen konnten, eine peruanische Sitte, die ich von ihr übernommen hatte. Wie jeder gute Sohn Spaniens hielt auch Pedro Waschen für schädlich, weil es die Lunge schwächte und das Blut verdünnte, aber ich wußte ihm zu berichten, daß die Menschen in Peru sich täglich wuschen, und von schwachen Lungen oder wäßrigem Blut konnte die Rede nicht sein. Die zwei Tage vergingen wie im Flug, wir erzählten uns unser Leben und liebten uns in einem hitzigen Strudel, in einer Hingabe, von der wir nicht genug bekamen in unserem wahnsinnigen Verlangen, mit dem anderen zu verschmelzen, wieder und wieder gemeinsam zu sterben. »Ach, Pedro!« »Ach, Inés!« Wir stürzten miteinander in die Tiefe, lagen da, Arme und Beine ineinander verschlungen, keuchend in unserem Schweiß, flüsternd. Dann erwachte das Verlangen erneut und heftiger zwischen den feuchten Laken; Geruch nach Mann – Eisen, Wein und Pferd –, Geruch nach Frau – Küche, Rauch und Meer –, der Duft von beiden, ein deftiger Eintopf, ein unvergleichlicher undunvergeßlicher Wildnishauch. Wir lernten, uns gemeinsam in die Lüfte zu schwingen, stöhnten unter demselben Peitschenhieb auf, der uns an den Rand des Todes trieb und uns endlich in eine tiefe Trägheit entließ. Ein ums andere Mal erwachten wir daraus, um die Liebe neu zu erfinden, bis mit seinem Hahnengeschrei und dem Duft nach frischem Brot der Morgen des dritten Tages anbrach. Da verlangte Pedro, verwandelt, nach seinen Kleidern und seinem Degen.
Ach! Wie beharrlich die Erinnerung ist! Die meine läßt mir keinen Frieden, füllt mir den Kopf mit Bildern, Worten, Schmerz und Liebe. Mir ist, als erlebte ich das einst Gewesene immer aufs neue. Nicht das Erinnern bereitet mir Mühe an diesem Bericht, sondern wie langsam sich die Worte auf dem Papier formen. Meine Schrift ist nie sehr leserlich gewesen, obwohl González de Marmolejo sich alle Mühe damit gab, aber heute kann man sie kaum noch entziffern. Ich bin in Eile, die Wochen fliegen dahin, und es gibt noch so viel zu berichten. Ich ermüde. Das Papier reißt unter der Feder, wird von Tinte bekleckst; kurz, diese Aufgabe übersteigt meine Kräfte. Warum beharre ich auf ihr? Die mich gründlich gekannt haben, sind tot, einzig Du, Isabel, hast noch ein Vorstellung davon, wer ich bin, aber die ist verfälscht von Deiner Zuneigung und von der Schuld, die Du mir gegenüber zu haben vermeinst. Du schuldest mir nichts, wie oft soll ich Dir das noch sagen; ich bin es, die in Deiner Schuld steht, denn Du hast mir den Herzenswunsch erfüllt, Mutter zu sein. Heute bist Du mir Freundin und Vertraute, der einzige Mensch, der meine Geheimnisse kennt, selbst einige von denen, die ich aus Scham nicht mit Deinem Vater teilte. Wir vertragen uns gut, wir beide, Du hast das Herz am rechten Fleck, und wir lachen zusammen dieses Lachen der Frauen, das aus dem Einverständnis entspringt. Ich bin Dir dankbar dafür, daß Du mit Deinen Kindern hierhergekommen bist, obwohl Du zwei Straßenweiter Dein eigenes Haus hast. Du gibst vor, Gesellschaft zu brauchen, weil Dein Mann doch im Krieg ist, wie es meiner früher oft war, aber ich glaube Dir nicht. In Wahrheit fürchtest Du, ich könnte allein in diesem Witwenhaus sterben, das schon bald Dir gehören wird wie all meine irdische Habe. Zu wissen, daß Du eine sehr reiche Frau sein wirst, ist mir ein Trost; ich kann in Frieden scheiden, denn das Versprechen, Dich zu beschützen, das ich Deinem Vater gab, habe ich ganz gehalten. Als er Dich zu mir brachte, war ich noch die Geliebte von Pedro de Valdivia, was mich aber nicht daran hinderte, Dich mit offenen Armen zu empfangen. Santiago hatte sich zu jener Zeit von den Zerstörungen des ersten Indioangriffs erholt, die Jahre der Entbehrung lagen hinter uns, und wir taten uns ein bißchen dick, obwohl diese Stadt eigentlich noch gar keine war, sondern kaum mehr als ein armseliges Nest. Viele
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