Inés meines Herzens: Roman (suhrkamp taschenbuch) (German Edition)
lassen, aber wir nahmen nie etwas dafür, denn wenn man sie sich bezahlen läßt, verliert man die Gabe. Eines Tages sollte sie mir dazu verhelfen, eine Streitmacht vor dem sicheren Tod zu bewahren.
Über Jahre erhielt ich kaum Nachricht von meinem Mann, nur drei kurze Briefe aus Venezuela, die der Gemeindepfarrer mir vorlas und zu beantworten half. Juan schrieb, er habe viele Mühen und Gefahren zu bestehen, die größten Taugenichtse trieben sich dort herum, er müsse die Waffen stets griffbereit haben, immer auf der Hut sein, er habe es zwar noch nicht gesehen, aber es gebe Gold im Überfluß, und er werde reich heimkehren, mir einen Palast bauen, mir das Leben einer Gräfin ermöglichen. Unterdessen krochen meine Tage fade und unter großen Entbehrungen dahin, weil ich für mein Auskommen nur das Unvermeidliche ausgab und den Rest in einem Hohlraum unter dem Fußboden verbarg. Ich wollte allen Klatsch vermeiden, deshalb sagte ich zu niemandem ein Wort davon, daß ich Juan auf seine abenteuerliche Fahrt folgen wollte, um jeden Preis und nicht aus Liebe, die ich nicht mehr für ihn empfand, oder aus Loyalität, die er nicht verdiente, sondern weil es mich lockte, frei zu sein. Dort, fern von denen, die mich kannten, würde ich allein mir selbst gehören.
Ein rastloses Feuer loderte in meinem Leib. Nachts litt ich Höllenqualen, wälzte mich zwischen den Laken, wurde heimgesucht von den Erinnerungen an Juan, als wir einander noch begehrten. Selbst mitten im Winter glühte ich, war zornig auf mich und die Welt, weil ich als Frau geboren und verurteilt war, im Kerker der Sittsamkeit zu schmoren. Ich trank einschläfernde Aufgüsse, zu denen mir die Nonnen im Hospital rieten, die aber bei mir ohne Wirkung blieben. Ich versuchte zu beten, wie der Pfarrer es forderte, brachte jedoch kein Vaterunser zu Ende, ohne mich in bestürzenden Gedanken zu verlieren, weil der alles verwirrende Satan sich in mir austobte. »Du brauchst einen Mann, Inés«, seufzte meine Mutter, die immer eine praktische Frau gewesen ist. »Alles läßt sich einrichten, mit etwas Verschwiegenheit …« Einen zu finden war für eine Frau in meiner Lage nicht schwer, selbst mein Beichtvater, ein übelriechender und lüsterner Mönch, wollte mir einige Jahre der Sühne im Fegefeuer erlassen, wenn ich in seinem staubigen Beichtstuhl mit ihm sündigte. Ich ließ mich nie darauf ein; er war ein widerlicher Kerl. Hätte ich sie gewollt, es hätte mir nicht an Männern gemangelt. Manchmal, wenn der Stachel des Dämons zu quälend wurde, gab ich mich einem hin, aber das geschah aus Not, kannte kein Morgen. Ich war an Juans Phantom gekettet und in meiner Einsamkeit gefangen. Da ich nicht wirklich verwitwet war, konnte ich nicht wieder heiraten, hatte zu warten, nur zu warten. War es da nicht besser, daß ich die Gefahren der Meere und barbarischen Weltgegenden auf mich nahm? Sollte ich alt werden und sterben, ohne gelebt zu haben?
Endlich, nachdem ich mich über Jahre darum bemüht hatte, bekam ich die königliche Erlaubnis, mich nach den Neuen Indien einzuschiffen. Die Krone schützte das Band der Ehe und trachtete, die Familien zusammenzuführen, um die Neue Welt mit rechtmäßigen und christlichen Heimstätten zu besiedeln, aber das beschleunigte ihreiEntschedungen nicht; man weiß ja, daß in Spanien alles seine Weile haben will. Die Erlaubnis, sich ihrem Ehemann anzuschließen, bekam eine verheiratete Frau nur, sofern sie mit einer Respektsperson oder mit jemandem aus der Familie reiste. Mich sollte meine Nichte Constanza begleiten, die Tochter meiner Schwester Asunción, eine schüchterne Fünfzehnjährige mit frommen Neigungen, auf die meine Wahl fiel, weil sie von all meinen Verwandten die robusteste war. Die Neue Welt ist nichts für schwächliche Naturen. Constanza wurde nicht nach ihrer Meinung gefragt, aber ihrem Gezeter nach zu urteilen, war sie nicht angetan von der Reise. Damit ihre Eltern sie mir überließen, mußte ich ihnen schriftlich und von einem Amtsschreiber besiegelt versprechen, daß ich sie, sobald ich meinen Mann gefunden hätte, nach Spanien zurückschicken und mit einer Mitgift fürs Kloster ausstatten würde, ein Versprechen, das zu halten ich außerstande war, aber nicht, weil es mir, sondern weil es ihr an Ehrbarkeit gebrach, wie man später noch sehen wird. Zudem benötigte ich zwei Bürgen dafür, daß mir die Reise nicht verboten, ich weder Muselmanin noch Jüdin, sondern Tochter einer alten christlichen Familie war. Ich
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