Inés meines Herzens: Roman (suhrkamp taschenbuch) (German Edition)
mörderische Kälte überstehen, Hunger und Hitze. Der Gouverneur befahl, die Toquis in der Hütte, die als Gefängnis vorgesehen war, in Ketten zu schlagen; seine Hauptleute wollten sie der Folter unterwerfen, umherauszufinden, ob es Gold in der Gegend gab, denn der Kazike Vitacura konnte gelogen haben.
»Cecilia sagt, es sei unnütz, einen Mapuche zu foltern, man bringt ihn nicht zum Reden. Die Inkas haben es oft versucht, aber selbst die Frauen und Kinder beugen sich nicht unter der Marter«, erklärte ich Pedro, als ich ihn an diesem Abend von der Rüstung befreite und von den Kleidern, die vor geronnenem Blut starrten.
»Dann sind die Toquis nur als Geiseln gut.«
»Wie ich höre, ist Michimalonko sehr von sich eingenommen.«
»Was ihm jetzt wenig nützt, in Ketten.«
»Wenn er durch Gewalt nicht redet, dann vielleicht aus Eitelkeit. Du weißt doch, wie manche Menschen sind …«
Am nächsten Morgen inszenierte Pedro für den Toqui Michimalonko eine so außergewöhnliche Befragung, daß keiner seiner Hauptleute begriff, worauf um alles in der Welt er hinauswollte. Erst befahl er, dem Toqui die Ketten abzunehmen und ihn fernab von den anderen Gefangenen in eine eigene Unterkunft zu bringen, wo ihn meine drei hübschesten Mädchen wuschen, ihn in feine Wollstoffe kleideten, ihm ein üppiges Mahl vorsetzten und dazu so viel Muday, wie er trinken mochte. Dann schickte Valdivia eine Ehrengarde und ließ ihn in den mit Fahnen geschmückten Versammlungsraum des Rats geleiten, wo er ihn im Kreis seiner Hauptleute empfing, alle in glänzendem Harnisch und Helmen mit Federbüschen in erlesenen Farben. Ich war in meinem amethystfarbenen Samtkleid zugegen, dem einzigen, das ich auf dem Weg durch den Norden hatte retten können. Michimalonko warf mir einen anerkennenden Blick zu, ich weiß nicht, ob er in mir das wehrhafte Weibsbild erkannte, das ihm mit dem Schwert in der Hand entgegengetreten war.
Zwei gleiche Stühle standen am Tisch, einer für Valdivia, der andere für den Toqui. Wir hatten einen Dolmetscher,wußten indes bereits, daß das Mapudungu nicht zu übersetzen ist, weil es sich um eine poetische Sprache handelt, die im Reden entsteht; die Wörter verändern ihre Form, fließen, tun sich zusammen, trennen sich, alles ist in Bewegung, deshalb läßt es sich auch nicht schriftlich festhalten. Wird versucht, das Gesagte wortwörtlich zu übersetzen, versteht man rein gar nichts. Im besten Fall vermittelt einem der Dolmetscher eine grobe Vorstellung von dem, was gemeint ist. Überaus respektvoll und feierlich sprach Valdivia dem Toqui seine Bewunderung für dessen Mut und den seiner Krieger aus. Michimalonko antwortete ebenso artig, und von einer Huldigungsrede zur nächsten lenkte Valdivia das Gespräch in die Bahnen von Verhandlungen, indessen seine Hauptleute das Schauspiel mit großen Augen bestaunten. Der Alte zeigte sich stolz darüber, daß er von gleich zu gleich mit einem solch mächtigen Gegner reden konnte, einem der Bärtigen, die nichts Geringeres vollbracht hatten, als das Reich des Inka in die Knie zu zwingen. Es dauerte nicht lang, da brüstete er sich seines Rangs, seiner Abkunft, seiner Gebräuche und auch der Zahl seiner Männer unter Waffen und seiner Frauen, über zwanzig habe er bereits, doch in seiner Höhle sei noch Platz für etliche mehr, auch für die eine oder andere spanische »Chiñura«. Valdivia erzählte ihm, daß Atahualpa für seine Freilassung einen Raum bis zur Decke mit Gold gefüllt hatte; je wertvoller der Gefangene, desto höher das Lösegeld, fügte er hinzu. Michimalonko saß eine Weile stumm und in Gedanken versunken da, ohne daß jemand das Schweigen gebrochen hätte, und fragte sich wohl, weshalb die Huincas derart erpicht waren auf dieses Metall, das seinem Volk nichts als Ärger eingebracht hatte; über Jahre hatten sie es als Tribut an den Inka abgeben müssen. Doch, halt, dies eine Mal würde es von Nutzen sein: Er würde sein eigenes Lösegeld damit bezahlen. Wenn Atahualpa einen ganzen Raum damit gefüllt hatte, konnte er nicht nachstehen. Er erhob sichkerzengerade von seinem Stuhl, schlug sich mit den Fäusten gegen die Brust und verkündete mit fester Stimme, er werde den Huincas für seine Freiheit die einzige Goldstätte der Region überlassen, einen Goldwaschplatz, der Marga-Marga hieß, und dazu eintausendfünfhundert Menschen, um dort zu arbeiten.
Gold! Welcher Jubel in der Stadt, endlich bekam das Wagnis der Eroberung Chiles einen Sinn für die
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