Inés meines Herzens: Roman (suhrkamp taschenbuch) (German Edition)
Trab: Essen, Kleidung, Saatgut, Tiere. Zum Glück habe ich nie mehr als drei oder vier Stunden Schlaf benötigt, so hatte ich mehr Zeit als andere für die Arbeit. Ich nahm mir vor, jeden Soldaten und jeden Yanacona mit Namen zu kennen, und ließ sie wissen, daß sie bei mir stets ein offenes Ohr finden würden für ihre Sorgen und Nöte. Ich kümmerte mich darum, daß es keine ungerechten oder überzogenen Strafen gab, vor allem nicht gegen die Indios; Pedro vertraute meinem Urteil und hörte mich in der Regel an, ehe er einen Richterspruch verkündete. Ich glaube, damals hatten mir die meisten Soldaten die tragische Verbannung von Escobar verziehen und achteten mich, weil ich viele gesundgepflegt hatte, als sie verwundet waren oder im Fieber lagen, sie an der gemeinschaftlichen Tafel satt geworden waren und ich ihnen half, ihre Wohnstätten mit dem Nötigsten einzurichten.
Die Nachricht von Pizarros Tod erwies sich als falsch, aber sie war prophetisch. Noch war es ruhig in Peru, aber einen Monat später drang eine kleine Gruppe »geschundener Chilenen«, Veteranen der Expedition von Diego de Almagro, in den Gouverneurspalast ein, und der Marqués wurde erdolcht. Einige seiner indianischen Diener versuchten ihn zu schützen, seine Höflinge und Wachen aber suchten über die Balkone das Weite. Die Bevölkerung der Stadt der Könige trauerte ihm nicht nach, längst hatte man genug von den Übergriffen der Brüder Pizarro, und es dauerte keine zwei Stunden, da war der Gouverneur durch den Sohn von Diego de Almagro ersetzt, einen unerfahrenen Jungen, der noch am Vorabend keinen Maravedi im Beutel gehabt hatte und nun, von einem Tag auf den andern, Herr über ein sagenhaftes Reich war. Als die Nachricht Monate später in Chile ankam, war Valdivia der Gouverneurstitel schon nicht mehr zu nehmen.
»Du bist mir unheimlich, Inés …«, flüsterte Pedro erschrocken, als er hörte, was geschehen war.
Über Winter wurde die Feindseligkeit der Indios im Tal offenkundig. Pedro gab Anweisung, niemand dürfe die Stadt ohne triftigen Grund und ohne Geleitschutz verlassen. Vorbei war es mit meinen Besuchen bei den Machis und auf den Märkten, aber ich glaube, Catalina hielt die Verbindung zu den Dörfern bei, jedenfalls stahl sie sich weiterhin nachts davon. Cecilia fand heraus, daß Michimalonko einen Angriff auf uns vorbereitete und seinen Kriegern als Anreiz die Pferde und Frauen von Santiago versprochen hatte. Seine Streitmacht wuchs stetig, schon hatten sechs Toquis mit ihren Kämpfern in einem Pucara, einer Art Fort, Stellung bezogen und warteten auf einen günstigen Augenblick, um loszuschlagen.
Valdivia erfuhr die Einzelheiten direkt von Cecilia, beriet sich mit seinen Hauptleuten und entschied, dem Feindzuvorzukommen. Er ließ das Gros seiner Soldaten zum Schutz von Santiago zurück und brach mit Alderete, Quiroga und einem Trupp seiner besten Männer auf, um Michimalonko auf dessen eigenem Terrain entgegenzutreten. Das Pucara war aus Lehm, Steinen und Holz errichtet, von einer Palisade aus Baumstämmen umgeben und offensichtlich in aller Eile entstanden, um vorübergehend etwas Deckung zu bieten. Es lag recht verwundbar und war schlecht bewacht, so daß die Unseren keine große Mühe hatten, sich in der Dunkelheit anzuschleichen und es in Brand zu stecken. Dann warteten sie, bis die Krieger, halb erstickt vom Rauch, aufs freie Feld hinausliefen, und töteten sie in großer Zahl. Die Niederlage der Eingeborenen war rasch besiegelt, und die Unseren konnten einige Toquis gefangennehmen, darunter auch Michimalonko.
Wir sahen die Gefangenen zu Fuß ankommen, mit Strikken an die Pferde der Hauptleute gebunden – zerschunden und in ihrer Ehre gekränkt, aber trotzig. Ohne Anzeichen von Furcht oder Erschöpfung liefen sie neben den Pferden her. Sie waren kleingewachsen, aber wohlgestalt, mit schmalen Füßen und Händen, breitem Rücken, kräftigen Armen und Beinen und hohem Brustkorb. Das schwarze Haar trugen sie lang und mit bunten Bändern zu Zöpfen geflochten, die Gesichter waren in gelben und blauen Farben bemalt. Ich hatte gehört, daß der Toqui Michimalonko über siebzig Jahre alt sei, aber das war kaum zu glauben, denn ihm fehlte kein einziger Zahn, und er war ausdauernd wie ein junger Bursche. Ein Mapuche, der nicht durch ein Unglück stirbt oder im Kampf sein Leben läßt, kann über hundert Jahre alt werden und dabei in bester Verfassung sein. Diese Menschen sind bärenstark, tapfer und wagemutig, können
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