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Ines oeffnet die Tuer

Ines oeffnet die Tuer

Titel: Ines oeffnet die Tuer Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Markolf Hoffmann
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Die Frage ist eher, warum ausgerechnet hier?
    Dafür gab es nur eine Erklärung: Die Tür war Ines gefolgt!
    Ihr lief es eiskalt über den Rücken. Erschrocken lauschte sie, ob draußen auf dem Gang etwas zu hören war … Nein, nur Stille. Überall lief der Unterricht und ihre Klasse schrieb noch an der Klausur.
    Sie war ganz allein mit einer Tür, die sie verfolgte.
    Ines brauchte ein paar Sekunden, um das zu verdauen. Dann schwand ihre Angst.
    Es ist nur eine Tür, sagte sie sich. Und sie gehört Oma Agnes, kann also nicht gefährlich sein. Hat Agnes nicht selbst gesagt, dass ich sie öffnen darf? Wollen wir doch mal sehen …
    Sie schritt auf die Tür zu und legte ihre Finger, die noch feucht vom Händewaschen waren, auf den Widderhorngriff. Dann drückte sie die Klinke nach unten – dieses Mal mit Kraft – und … schob die Tür auf!
    Sie blickte in einen Raum.
    Er war nicht groß, etwa so wie ihr Zimmer. Innen herrschte schummriges Licht. Trotzdem konnte Ines alles genau erkennen. Die Wände waren holzgetäfelt, auf den honigfarbenen Dielen lag ein roter Teppich, sie sah einen Sessel, einen Tisch, eine Kommode, einen Schrank, ein elegantes Sofa … Es war ein vollständig eingerichtetes Zimmer! Es roch alt und staubig, und ein schwacher Hauch von Parfüm schwebte in der Luft. Ines glaubte den Duft zu kennen – von Agnes. Das beruhigte sie.
    Zögernd trat sie ein. Die Dielen knackten unter ihren Schuhen und sie spürte einen eisigen Luftzug im Nacken.
    Hinter ihr ging die Tür leise zu.
    Ines stand im Halbdunkel des Raums und lauschte ihrem Herzklopfen. Vorsichtig tastete sie nach der Wand.
    Â»Es muss hier doch Licht geben«, murmelte sie.
    Ihre Finger stießen auf einen altmodischen Drehschalter und mehrere Glühbirnen flackerten in einem cremefarbenen Lampenschirm an der Decke auf. Sie tauchten das Zimmer in goldenen Schein.
    Ein schöner Raum, dachte Ines. So still und verträumt. Aber die Einrichtung ist altmodisch, selbst für Agnes. Diese Möbel sehen aus, als wären sie hundert Jahre alt …
    Ob sie ihrer Oma gehörten? Und was, verflixt noch mal, machte der Raum im Schulgebäude? Konnte er fliegen?
    Nein, ich träume das nur, rief sich Ines zur Besinnung. Es kann nicht wahr sein. Aber wenn es ein Traum ist und ich eh schon hier bin, kann ich mich auch in Ruhe umsehen.
    Sie schlenderte zur Kommode, die aus hell lackiertem Holz war und verschnörkelte Metallgriffe trug. Eine Tischuhr mit silbernem Zifferblatt stand darauf. Sie tickte leise, und Ines glaubte, ein Schnarren aus dem Inneren zu hören. Es klang wie ein Atemgeräusch, so als hauchte die Uhr langsam aus oder wäre von Sorgen bedrückt. Die Zeiger standen beide auf der Zwölf.
    Â»Tja, du gehst leider falsch«, sagte Ines betont laut in die Stille des Raums hinein.. »Wir haben erst kurz nach halb elf. Da hilft alles Schnaufen nichts.«
    Die Uhr gab keine Antwort, was Ines nicht wunderte. Sie tickte nur zart und schnarrte wieder – diesmal klang es, als ob sie einatmete. Der große Zeiger rückte einen Strich nach vorn. Eine Minute war vergangen.
    Â»Eine atmende Uhr«, murmelte Ines. »Was träume ich nur für blödes Zeug?«
    Ziellos schritt sie im Raum umher. Die Dielen knarrten und fügten den Atemgeräuschen der Uhr eine unheimliche Note hinzu. Schließlich blieb Ines vor dem Sessel stehen, den sie gestern Abend durch das Schlüsselloch betrachtet hatte. Sein Bezug glich wirklich einem Pantherfell. Die schwarzen Härchen richteten sich auf, als sie mit der Hand über die Lehne strich. Und dann … nein, vielleicht täuschte sie sich auch … oder doch? … begann der Sessel zu schnurren. Wie eine Katze!
    Ines zog die Hand zurück.
    Ich bin ja bescheuert, schalt sie sich. Eine atmende Uhr und ein schnurrender Sessel! Das ist völlig krank. Wenn es sich nur nicht so echt anfühlen würde …
    Hinter dem Sessel hing ein weinroter Vorhang an der Wand. Ines spähte vorsichtig hinter ihn. Ein Fenster! Durch das Glas war grauer Nebel zu erkennen, eine dicke, wabernde Suppe, wie an einem Novembertag.
    Das ist der Beweis, dass ich träume, gratulierte sie sich. Als ich zur Schule gelaufen bin, herrschte draußen herrliches Sonnenwetter. Woher soll da bitte schön Nebel kommen?
    Sie ließ den Vorhang zurückgleiten und versuchte sich einen Reim auf diese

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