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Ines oeffnet die Tuer

Ines oeffnet die Tuer

Titel: Ines oeffnet die Tuer Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Markolf Hoffmann
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grenzte direkt an die ihrer Familie an. Auf dem Klingelschild stand ein Name: Guido zu Hausen. Er wohnte seit einem halben Jahr hier, nachdem der Vormieter ausgezogen war. Aber Ines kannte Herrn zu Hausen schon länger. Er war nämlich ein alter Bekannter ihres Vaters und hatte mit ihm zusammen Geschichte studiert. Allerdings hatte Veith sein Studium längst abgeschlossen und war Geschichtslehrer am Gymnasium (demselben, das Ines besuchte). Guido zu Hausen hingegen studierte immer noch. Laut Carmen – die wenig von ihm hielt – würde er das bis zu seinem Lebensende tun. Er war ein liebenswerter Spinner, dessen Einrichtung fast ausschließlich aus Bücherregalen bestand und der bis in die späte Nacht hinein über alten Schinken brütete. Manchmal fragte sich Ines, wovon er sich überhaupt ernährte. Sie hatte ihn nie einkaufen sehen. Wenn er das Haus verließ, dann nur, um Buchpakete von der Post abzuholen. Ansonsten machte er seinem Namen alle Ehre und war rund um die Uhr zu Hause, meistens allein, aber oft schaute auch Veith vorbei. Dann plauderten sie über Bücher und alte Zeiten.
    Ines klingelte. Es dauerte nicht lange, bis Guido zu Hausen ihr öffnete. Er strahlte sie an.
    Â»Ines, hallo. Lass mich raten – du suchst deinen Vater!«
    Herr zu Hausen war ein klapperdürrer Kerl mit schütterem Haar und einem rötlichen Dreitagebart. Seine Augen sahen hinter den Brillengläsern winzig aus, wie die einer Maus. Alles an ihm wirkte dünn, linkisch und zerbrechlich – bis auf die Arme, die wohl vom Bücherschleppen so kräftig waren.
    Â»Ist Veith denn hier?«, fragte Ines.
    Herr zu Hausen winkte sie in seinen Flur. Sie musste über Berge aufgehäufter Zeitschriften und Kataloge hinwegsteigen, um in das Arbeitszimmer zu gelangen. In einem löchrigen Sessel saß Veith und blätterte in einem Buch, an dessen Rand Unmengen von gelben Markierungszetteln herausragten. Als er Ines bemerkte, zwinkerte er ihr zu.
    Â»Na, Prinzessin? Schule schon aus?« Er legte das Buch zur Seite. »Guido und ich haben uns gerade ein Buch angesehen. Ein Faksimile. Weißt du, was das ist?«
    Herr zu Hausen lachte auf. »Woher soll deine Tochter das wissen? Das interessiert doch nur uns Bücherwürmer …«
    Â»Da hat er recht«, sagte Ines und hoffte, dass ihr Vater nicht ins Labern kam.
    Â»Das Wort sollte man kennen«, mahnte Veith streng. »Ein Faksimile ist der Bildnachdruck eines antiquarischen Originals, in diesem Fall eines aus dem Siebenjährigen Krieg. Ich kann ihn dir gerne zeigen, Ines, wenn du …«
    Â»Papa, ich muss dich etwas fragen«, unterbrach sie ihn. »Können wir am nächsten Wochenende wieder zu Agnes fahren?«
    Veith war erstaunt. »Aber Ines, wir waren doch erst gestern dort. Das wird deiner Oma zu viel, wenn wir nächsten Samstag schon wieder bei ihr aufkreuzen. Von deiner Mutter ganz zu schweigen …«
    Â»Die muss ja nicht mitkommen!«
    Â»Außerdem wollten wir nächstes Wochenende ins Römermuseum. Wir können Agnes ja übernächste Woche besuchen …«
    Â»Nein!«, rief Ines. »Ich muss sie ganz dringend sehen.«
    Â»Warum? Kann das nicht warten?«
    Â»Kann es nicht! Bitte glaub mir, Papa. Ich kann dir nicht sagen, worum es geht.«
    Â»Aber ihr schon, hm?« Veith erhob sich vom Sessel. »Es freut mich ja, dass du dich so gut mit deiner Oma verstehst. Sie ist eine faszinierende Frau.«
    Â»Redet ihr von der alten Dame, die sich unsichtbar machen kann?«, meldete sich Herr zu Hausen, der am Türrahmen lehnte, zu Wort. »Die würde ich ja zu gerne mal kennenlernen.«
    Veith überhörte diese Bitte. »Wenn es so dringend ist, dann ruf Agnes doch an. Ihre Nummer hast du ja.«
    Â»Ach Papa, du weißt genau, dass sie nie ans Telefon geht.«
    Veith blieb störrisch. »Probier es trotzdem. Ich habe jetzt keine Zeit mehr, darüber zu streiten. In einer Stunde muss ich zum Unterricht.«
    Eine tolle Hilfe, dachte Ines. Wenn man einmal seinen Vater braucht, lässt er einen im Stich!
    Sie probierte trotzdem, Agnes anzurufen. Ihre Oma besaß nur ein altes Telefon mit klappriger Wählscheibe, das sie kaum benutzte. Ines suchte im Handy die Nummer heraus und rief mehrmals hintereinander an – ohne Erfolg.
    Sie versuchte es am Nachmittag, sie versuchte es am Abend und dann noch einmal vor dem Schlafengehen.
    Diesmal hatte

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