Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Infam

Infam

Titel: Infam Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: K Ablow
Vom Netzwerk:
ausschließlich im Hinblick darauf beurteilt, wie sie seine Bedürfnisse erfüllen konnten.« Sie blätterte einige Seiten weiter. »Billy wurde zum Beispiel aufgefordert, eine Geschichte zu einem Bild zu erzählen, das einen Polizisten zeigt, der einen Mann verfolgt. Der Mann hält eine Hand voll Geld umklammert. Billys einziger Kommentar dazu war: ›Ich wünschte, ich hätte das Geld. Er würde mich nie erwischen.‹ Als ihn der Testbetreuer aufforderte, mehr zu der Szene zu sagen, fügte er nur hinzu: ›Eines Tages möchte ich auch so eine Knarre haben.‹«
    »Er hat nichts zu dem Verbrechen gesagt, das der Mann begangen hatte?«, fragte ich. »Er hat keine Vermutungen angestellt, was mit ihm passieren würde, wenn er gefasst werden würde?«
    Sie schüttelte den Kopf. »Nichts in Bezug auf Gesetz, Moral oder Bestrafung.« Sie sah abermals auf den Bericht. »Ein Bild von einem Baseballspieler, der zwischen zwei Feldmarkierungen auf dem Boden liegt und sich das Knie hält, brachte als Aussage nur: ›Ich wollte diesen Sommer nicht Baseball spielen, aber mein Vater hat mich dazu gezwungen. Es ist ein blödes Spiel.‹«
    »Er zeigte kein Interesse daran, wie sich der Mann verletzt hatte?«, fragte ich.
    »Nicht das geringste«, sagte Mossberg, ohne aufzusehen. »Ein drittes Beispiel: Als er aufgefordert wurde, zu beschreiben, was auf einem Bild passierte, auf dem ein offensichtlich aufgebrachter Mann ein Zimmer verlässt, während ihm eine weinende Frau hinterhersieht, sagte er: ›Sie sollte aufhören zu heulen. Sie ist laut, und es tut ihm in den Ohren weh. Er sollte zurückgehen und sie dazu
bringen,
aufzuhören.‹«
    Ich zuckte bei dieser Schilderung innerlich zusammen, während ich mich daran erinnerte, wie Tess, der überlebende Bishop-Zwilling, geschrien hatte, als North Anderson und ich in Darwin Bishops Arbeitszimmer gesessen hatten. Könnte das Plärren der kleinen Brooke Bishop Billy so geärgert haben, dass er Dichtungsschaum in ihre Luftröhre gespritzt hatte? »Haben Sie Billy direkt zu dem Verlust seiner Schwester befragt?«, wollte ich wissen.
    »In allgemeinerer Form«, antwortete Mossberg. »Ich habe ihn gefragt, was Brooke passiert ist.«
    »Und?«
    »Er sagte, sie hätte aufgehört zu atmen.«
    »Hat er bei der Antwort irgendwelche Emotionen gezeigt?«, fragte ich.
    »Nein.«
    »Hatten Sie den Eindruck, dass er unter Schuldgefühlen litt?«
    »Er beharrt darauf, dass er nichts damit zu tun hatte«, sagte sie.
    »Aber Sie glauben ihm nicht«, stellte ich fest.
    »Nun … nein. Selbstverständlich nicht.«
    »Warum nicht?«, fragte ich.
    Mossberg sah mich misstrauisch an. »Ich hatte bislang niemanden irgendeinen Zweifel daran äußern hören, dass Billy die Tat begangen hat. Mr. Bishops ausdrückliche Vorgabe war eine überwachte Umgebung, in der sein Sohn, geschützt vor der Presse, bis zum Prozess unter Beobachtung gestellt werden kann. Ich hatte angenommen, Sie würden dabei helfen, seine Unzurechnungsfähigkeit zu belegen.«
    »Hat Bishop das gesagt? Dass er erwartet, dass Billy für den Mord an Brooke vor Gericht gestellt werden wird?«
    »Sehr deutlich sogar«, sagte Mossberg. »Habe ich hier etwas missverstanden? Gibt es etwa Zweifel daran, ob Billy seine Schwester ermordet hat?«
    Ich atmete tief durch. »Weniger, als man erwarten sollte«, erwiderte ich.

5
    Laura Mossberg führte mich den Flur entlang zu Billys Zimmer, einem Raum von ungefähr derselben Größe wie ihr Büro, doch eingerichtet mit einem kleineren Holzschreibtisch, einem Schreibtischsessel und einem Bett. Billy lag in Jeans und T-Shirt bäuchlings auf der Matratze und schlief anscheinend. Vor dem Zimmer saß ein junger Mann im College-Alter und las ein Fachbuch.
    »Wir haben Billy rund um die Uhr unter Beobachtung gestellt«, erklärte Mossberg. »Normalerweise würde diese Abteilung niemanden mit einer derart gewalttätigen Vergangenheit aufnehmen, müssen Sie wissen. Wir haben ihn auf Bitte unseres Verwaltungsdirektors aufgenommen. Mr. Bishop ist ein großzügiger Wohltäter des Krankenhauses.«
    Das überraschte mich nicht. Darwin Bishops Einfluss kannte offenkundig kaum Grenzen. »Ich werde nicht mehr als eine halbe Stunde mit ihm brauchen«, sagte ich.
    »Sie können gern noch mal zu mir kommen, wenn Sie fertig sind«, erwiderte sie, drehte sich um und ging den Flur hinunter.
    Ich betrat Billys Zimmer. Er drehte sich auf den Rücken, strich sich sein glattes, schmutzig blondes Haar aus den Augen und starrte mich

Weitere Kostenlose Bücher