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Infam

Infam

Titel: Infam Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: K Ablow
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rein und verschaffst dir damit für ein, zwei Stunden Erleichterung. Aber sie dauert nie an. Du hast es damit versucht, dich zu schneiden, dich zu beißen, dir dein Haar auszureißen, vermutlich bringst du dich auch hin und wieder zum Übergeben, nur um etwas zu fühlen.
Irgendetwas.
Aber nichts funktioniert.«
    Billys Gesichtsausdruck wechselte von Hohn zu Unbehagen.
    Ich ließ nicht locker. »Manchmal fühlst du eine so tote Leere in dir, ein so kaltes schwarzes Loch, dass du dich fragst, ob du überhaupt existierst. Du siehst die anderen Leute um dich herum an und fragst dich, ob sie real sind. Vielleicht tun sie auch nur so, als wären sie lebendig.«
    Er schüttelte den Kopf und musterte mich abschätzend. »Wie viel bezahlt Ihnen mein Vater für diesen Mist?«, fragte er.
    »Er bezahlt mich nicht«, erwiderte ich.
    »Dann sind Sie ein Idiot«, stellte er fest.
    »Warum?«
    »Weil Sie genau das tun, was er von Ihnen will«, sagte er. »Dann können Sie auch die Kohle absahnen.«
    »Er projiziert«,
schaltete sich die Stimme in meinem Hinterkopf ein.
»Er ist derjenige, der sich gekauft und bezahlt fühlt.«
    Ich hörte auf diese Stimme und beschloss, Billys Bemerkung wieder auf jenen verletzlichen Teil seiner Psyche zurückzureflektieren, dem sie entsprungen war. »
Du
bist das Eigentum deines Vaters, mein Freund«, sagte ich, »nicht ich.«
    Sein hochmütiger Gesichtsausdruck verflog. »Ich bin das Eigentum von überhaupt niemandem«, erklärte er, und inzwischen schwang Abscheu in seinem Tonfall mit.
    Ich hatte einen Nerv getroffen, den ich bis zu seiner Wurzel zurückverfolgen wollte. »Wie ich die Dinge sehe, bist du bestellt, gekauft und bezahlt, Kumpel.«
    »Irrtum, Sigmund.« Sein Gesicht lief rot an.
    »Nachnahmesendung aus Moskau«, sagte ich.
    Seine Oberlippe fing an zu zittern.
    »Und jetzt sieht es so aus«, fuhr ich fort, »als wäre dein Vater endgültig überzeugt, dass du beschädigte Ware bist. Du bist für ihn ein Verlustgeschäft.«
    Billy zuckte mit den Schultern, doch die Bewegung wirkte matt und gekünstelt. Er wusste, dass er mich nicht so einfach abtun konnte. »Verschwinden Sie«, knurrte er wütend. »Hauen Sie ab.« Er stand auf. Er war fast einsachtzig groß. Die Muskeln an seinen Armen waren angespannt, seine Hände zu Fäusten geballt.
    Ich hatte nicht die Absicht nachzugeben. Nicht, wenn wir uns der Wahrheit näherten. »Ich habe noch nicht vor zu gehen«, erklärte ich.
    Er machte einen Schritt auf mich zu.
    Instinktiv konzentrierte ich mich auf die Stelle, wo ich meinen Fuß platzieren würde, um ihn zu Boden zu werfen, falls er sich auf mich stürzen sollte – am untersten Punkt seines Brustbeins, genau dort, wo seine Rippen aufeinander trafen. »Warum kannst du es nicht zugeben?«, bohrte ich. »Du hast Win Bishop nicht mehr als ein einfaches Flugticket gekostet.«
    Er machte einen weiteren Schritt auf mich zu. »Ich habe ihn weit mehr gekostet …«, platzte er heraus, ehe er abrupt innehielt.
    Eine neuartige Stille erfüllte das Zimmer – jenes reine Schweigen, das das Nahen der Wahrheit ankündigt.
    »Erzähl mir«, forderte ich ihn heraus, »wie wütend bist du auf deinen Vater?«
    Er starrte mich einen Moment lang an, als würde er tatsächlich antworten, doch dann atmete er tief durch, spreizte die Finger und ging wieder zurück zu seinem Bett.
    »Du bist wütend genug, um es an ein paar Katzen auszulassen, wie ich gehört habe.« Ich schüttelte den Kopf. »Nebenbei bemerkt, ich liebe Katzen.«
    »Glauben Sie doch, was Sie wollen.«
    »Wütend genug, um zu versuchen, sein Haus niederzubrennen.«
    »Wenn ich sein Haus hätte abfackeln wollen«, entgegnete er, »dann würde es jetzt nicht mehr stehen.«
    »Aber das alles war noch nicht genug«, fuhr ich fort. »Also hast du dir deine kleine Schwester Brooke vorgenommen. Du musstest ihn ein Kind kosten. Eins von seinen leiblichen Kindern.«
    Er wandte den Blick von mir ab und schaute zu dem einzelnen vergitterten Fenster des Zimmers hinüber. Sonnenlicht fiel auf sein Gesicht, und plötzlich sah er eher wie ein hilfloses Kind denn wie ein gewalttätiger junger Mann aus.
    »Ich glaube, ich verstehe, was mit dir los ist«, fuhr ich fort. »Es ist das alte Klischee: ›Geteiltes Leid ist halbes Leid.‹ Du bist innerlich so tot, dass du dich ein bisschen besser fühlst, wenn du zusiehst, wie jemand anders sein Leben aushaucht. Und du hast nicht genug Mut, dir deinen Vater vorzuknöpfen – der derjenige ist, den du in

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