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Infam

Infam

Titel: Infam Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: K Ablow
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wo er Zeuge des Mordes an seinen Eltern war. Es könnte angeführt werden, dass er die emotionalen Bindungen verloren hat, die dem Rest von uns unseren Verhaltensrahmen geben. Ohne Mitgefühl und Gewissen fehlen ihm möglicherweise jegliche Bremsmechanismen für seine Triebhaftigkeit – hinzu kommt eine pathologische Eifersucht auf neue Kinder in der Familie. Seine Tat mag eher impulsiv denn vorsätzlich gewesen sein. Um es in juristischen Begriffen auszudrücken, es könnte ihm an der ›grundsätzlichen Fähigkeit‹ fehlen, ›sein Verhalten den Maßgaben des Gesetzes anzupassen‹.«
    »Klingt überzeugend«, pflichtete sie bei. »Die Ergebnisse seiner psychologischen Tests würden das unterstützen.«
    Ich sah in die goldenen Augen von Blauer Hund. »Aus reiner Neugier«, fragte ich, »wurde Billy auch physisch untersucht, als er eingewiesen wurde?«
    »Er hat sich geweigert«, erklärte Mossberg. »Wir hielten es nicht für notwendig, ihn zu zwingen. Nach Aussage seines Vaters ist er – zumindest vom medizinischen Standpunkt aus – absolut gesund.« Sie machte eine kurze Pause. »Gibt es irgendetwas Bestimmtes, das Ihnen Sorgen macht?«
    »Billy hat etliche Striemen auf seinem Rücken«, sagte ich und sah Mossberg an. »Einige sind vernarbt, andere wiederum frisch.«
    Sie nickte. »Das passt zu dem, was Mr. Bishop mir erzählt hat«, sagte sie. »Offenbar hat Billy die Angewohnheit, sich selbst mit einem Gürtel zu peitschen – und sich selbst zu schneiden, zu beißen und sich die Haare auszureißen. Für mich waren das alles Ausgeburten seines Selbsthasses. Er versucht, seine Gewalttätigkeit nach innen abzuleiten, aber sie bricht sich unausweichlich Bahn, und deshalb fällt er über andere her.«
    »Mr. Bishop hat mir nichts von dem Gürtel erzählt«, sagte ich. »Nur von den anderen Verhaltensweisen.«
    Mossberg zuckte mit den Schultern. »Vielleicht hat er es vergessen. Oder er hielt es nicht für wichtig, es Ihnen gegenüber zu erwähnen, da Sie unter normalen Umständen keine physische Untersuchung vornehmen würden.«
    »Wahrscheinlich haben Sie Recht«, pflichtete ich bei. Es war ebenso gut möglich, dass Darwin Bishop es »vergessen« hatte, weil er nicht davon ausging, dass ich es herausfinden würde.
    »Wieso hat er Ihnen überhaupt seinen Rücken gezeigt?«, wollte Mossberg wissen.
    »Das war mehr oder weniger zufällig«, log ich. »Er hat sein Hemd ausgezogen, um mich einzuschüchtern. Er ist ein kräftiger Junge, wie man unschwer erkennen kann. Einen Moment lang hatte ich Angst, er würde mich angreifen.«
    »Ich werde es mir merken«, sagte sie. »Ich bekomme so leicht blaue Flecke.« Sie zwinkerte mir zu. »Kann ich Ihnen sonst noch irgendwie behilflich sein?«
    »Besorgen Sie sich Billys andere Krankenunterlagen?«, fragte ich. »Wie ich gehört habe, wurde er von anderen Psychiatern behandelt.«
    »Wir haben die entsprechenden Anfragen schon verschickt«, sagte sie. »Ich werde mich mit Ihnen in Verbindung setzen, sobald ich irgendetwas in der Hand habe.«
    »Das wäre eine große Hilfe«, erwiderte ich.
    Ich schlang ein schnelles Mittagessen in einer schäbigen Imbissbude hinunter, ehe ich mir ein Taxi heranwinkte. Ich brannte darauf, mehr über Darwin Bishops Verurteilung wegen tätlichen Angriffs im Jahr 1981 herauszufinden. Bei einigen früheren Gelegenheiten war es mir glücklicherweise gelungen, Akten aus dem Archiv der Gerichtsverwaltung in der Beaver Street, die unterhalb der Wall Street und ein paar Blocks vom Battery Park entfernt lag, zu bekommen.
    »Nehmen Sie die Second Avenue, Richtung Stadtzentrum«, wies ich den Taxifahrer an. Ich kurbelte das Fenster ein Stück herunter, um den abgestandenen Zigarettenrauch zu vertreiben, der mich zwang, die Luft anzuhalten.
    »Warum die Second?«, fragte der Taxifahrer, ohne sich umzudrehen. »Den FDR. Schneller.« Er hatte einen undefinierbaren europäischen Akzent. Möglicherweise russisch.
    Ich warf einen Blick auf seine Lizenz, die neben einem weißen Plastik-Jesus am Armaturenbrett hing. Sein Name war Alex Puzick. Er musste um die sechzig sein. Seine Augen wirkten müde. Sein Gesicht war schlecht rasiert. Er trug ein weißes Hemd, das am Kragen und unter den Achseln bereits vergilbt war. »Ich möchte einen kurzen Zwischenstopp am River House machen«, sagte ich. »Es dauert nur eine Minute.«
    Er antwortete, indem er losbrauste und die siebenundsechzigste Straße und dann die Second Avenue hinunterbretterte.
    Während die endlose

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