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Infam

Infam

Titel: Infam Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: K Ablow
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abhörte, fand ich eine Nachricht von Julia Bishop vor. Mein Puls begann zu rasen, teils, weil der Anruf völlig unerwartet kam, teils, weil Julias Stimme Gefühle in mir wachrief, die ich seit meiner Trennung von Kathy nicht mehr empfunden hatte. Es war eine Stimme voller Intelligenz und Erfahrenheit, doch gleichzeitig sehr verletzlich. Sie sagte, sie müsse mich sehen, allein, sagte aber nicht, warum. Ich ertappte mich dabei, dass ich nicht nur
bereit
war, mich mit ihr zu treffen, sondern danach
verlangte
, etwas, das ich als ein deutliches Warnzeichen hätte erkennen müssen. Denn ich hatte Kathy nicht durch die erkaltende Leidenschaft verloren, die sich nach Jahren des Zusammenseins einstellen kann, sondern durch eine unberechenbare Geisteskrankheit.
    Die Telefonnummer, die Julia auf meinem Anrufbeantworter hinterlassen hatte, war nicht dieselbe, die ich von der Auskunft für die Bishop-Villa in Nantucket bekam. Ich wählte sie, in der Hoffnung, dass Julia irgendwo war, wo sie ungestört reden konnte.
    »Ja?«, meldete sie sich.
    »Frank Clevenger«, sagte ich.
    »Schön, dass Sie zurückrufen.«
    »Wo sind Sie?«
    »Im Haus von Freunden. Hier auf der Insel. Aber ich muss wieder nach Hause.«
    »Ist alles in Ordnung?«, fragte ich.
    »Können wir uns treffen?« Ihre Stimme war drängend, und es schwang ein Unterton von Furcht mit. »Ich könnte morgen nach Boston kommen. Win hat hier den ganzen Tag über Geschäftsbesprechungen.«
    »Selbstverständlich«, sagte ich. »Haben Sie sich schon einen bestimmten Treffpunkt überlegt?«
    »Wo immer es Ihnen passt«, erwiderte sie. »Ich kann um eins dort sein.«
    »Das Bomboa«, schlug ich vor. Das Restaurant lag abseits in einer Seitenstraße, und nachmittags herrschte nicht viel Betrieb. »Es ist in der Innenstadt, in der Stanhope Street, ganz in der Nähe vom Mistral, wenn Sie das kennen. Ich warte an der Bar auf Sie.«
    »Ich warte an der Bar auf Sie – noch ein schlechtes Zeichen«,
warnte die Stimme in meinem Hinterkopf.
    »Ich sehe Sie dann dort«, sagte sie und legte auf.
    Ich wusste nicht genau, warum Julia sich mit mir treffen wollte, doch mir war klar, dass dies eine Einladung war, tiefer in die Psyche der Bishop-Familie vorzudringen. Das bewies mir, dass ich auf dem richtigen Weg zur Wahrheit war. Andererseits beunruhigte mich dieser Gedanke, denn ich ahnte, dass die Reise an einem sehr finsteren Ort enden würde.
    Ich war müde genug, um schlafen zu gehen. Ich zog mich aus und legte mich hin, doch mein Verstand konnte nicht abschalten. Ich ging immer wieder durch, was Billy mir von den Schlägen seines Vaters erzählt hatte, was ich aus Darwin Bishops Strafregister erfahren hatte und was North Anderson mir über die Affäre zwischen Bishop und Claire Buckley berichtet hatte. Wenn Bishop sich hinter einer Fassade des Wohlstands versteckte, wenn er jemand war, der mit allen Mitteln versucht hatte, Teile seines Lebens auszulöschen, dann würde es ihm umso leichter fallen, ein anderes Leben auszulöschen. Die verglimmende Glut des unterdrückten Schmerzes eines Mannes hat die unangenehme Angewohnheit, Feuer zu fangen, um sich dann unter der Oberfläche auszubreiten und alles in ihrer Nähe niederzubrennen.
    Vielleicht hatte Billy in Wirklichkeit nur die Destruktivität seines Vaters zum Ausdruck gebracht, als er das Haus angesteckt und Tiere gequält hatte. Er könnte ein
Sündenbock
sein, wie die Psychiater es nennen – das Familienmitglied, das von allen anderen als der Verrückte, das schwarze Schaf, betrachtet wird –, während die betreffende Person in Wahrheit einfach nur weniger widerstandsfähig gegenüber den pathologischen Triebkräften innerhalb der Familie ist.
    Andererseits war da Claire Buckley. Der Joker. Ich wusste so gut wie nichts über sie, abgesehen davon, dass sie die Vertraute und Ratgeberin für Julia spielte, während sie gleichzeitig mit deren Mann schlief. Und dass sie diejenige war, deren Fürsorge Julia Brookes überlebende Zwillingsschwester Tess anvertraute. Ich war froh, dass ich Julia am nächsten Tag sehen würde. Vielleicht ergab sich eine Gelegenheit, sie dazu zu bewegen, das Baby bei den Großeltern oder irgendwo anders außerhalb des Bishop-Anwesens zu lassen.
    Nachdem ich eine halbe Stunde lang wach gelegen und mit meinen Zweifeln gerungen hatte, wurde mir klar, dass ich in dieser Nacht keinen Schlaf mehr finden würde. Ich stand auf, zog mir Stiefel, Jeans und ein schwarzes T-Shirt an und ging hinunter zu meinem

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