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Infam

Infam

Titel: Infam Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: K Ablow
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ich denke. Was ich fühle.«
    In gewisser Hinsicht unterschied sich Garrets Klage nicht wesentlich von der der meisten Siebzehnjährigen über ihre Väter oder Mütter. Und das erklärt wahrscheinlich, warum ich mit einem bedauernswerten Klischee antwortete. »Du darfst nicht dein eigenes Leben führen«, sagte ich.
    »Jaja«, gab er zurück. »Alle Teenager machen diese Phase durch.«
    »Tut mir Leid«, entschuldigte ich mich hastig. »So habe ich es nicht gemeint.«
    Garret sah wieder zu Boden, kickte einen Kiesel weg und kicherte leise.
    »Ich möchte ehrlich wissen, wie es bei euch zu Hause wirklich zugeht«, versicherte ich ihm.
    Er sah mich an und schnitt eine angewiderte Grimasse. »Es ist, als würde man von innen heraus aufgefressen werden, bis nichts mehr von einem übrig ist«, beschrieb er. »Dad ist wie Jeffrey Dahmer. Nur dass er einem keine Säure ins Gehirn gießen muss, um einen zu einem Zombie zu machen. Er tut es mit anderen Mitteln.«
    Garret hielt seinen Vater eindeutig in psychologischer Hinsicht für einen Mörder, doch ich wollte wissen, ob er irgendeinen greifbaren Beweis hatte, der ihn mit dem Mord an Brooke in Verbindung brachte. »Hast du in der Nacht, als Brooke gestorben ist, irgendetwas gesehen?«, fragte ich. »Glaubst du, dass dein Vater …?«
    Er wandte den Blick ab. »Sie begreifen noch immer nicht«, sagte er.
    »Ich möchte es aber begreifen«, versicherte ich. »Hilf mir.«
    »In unserer Familie gibt es nur Luft für Win. Wir anderen müssen unser ganzes Leben lang um jeden Atemzug ringen. Es spielt also keine Rolle, ob er Brooke erstickt hat.« Er sah mich durchdringend an. »Es spielt wirklich keine Rolle. In gewisser Hinsicht ist es besser so. Weniger schmerzhaft. Schneller.«
    Garret drückte sich in der Sprache anerzogener Hilflosigkeit aus, eine Geisteshaltung, die sich bei Gefangenen einstellt, die aufhören, auf eine Flucht hinzuarbeiten, da sie ohnehin keine Chance dazu sehen. »Du könntest immer noch Billy helfen«, erinnerte ich ihn. »Ich weiß, dass ihr beide euch nicht nahe steht, aber er könnte sein Leben hinter Gittern verbringen.«
    »Dort hat er mehr Freiheit«, erwiderte Garret. »Und ich bezweifle, dass die Wärter ihn so brutal prügeln würden.«
    Die Bedeutung dieser Worte war nur zu offensichtlich. Julia, Billy und Garret widersprachen alle Darwin Bishops Behauptung, Billy hätte sich die Verletzungen auf seinem Rücken selbst zugefügt. »Wenn Billy unschuldig ist und du das beweisen kannst«, sagte ich, »dann musst du in der Nacht, als Brooke gestorben ist, etwas gesehen haben.«
    »Und wenn ich mich aus dem Fenster hänge, gegen Win aussage und er freigesprochen wird«, konterte Garret, »was soll ich dann tun?«
    Mir fiel keine befriedigende Antwort auf diese Frage ein. Garret nutzte den Moment, als ich darüber nachdachte, und setzte sich wieder in Bewegung. »Wo gehst du hin?«, rief ich ihm nach.
    Er drehte sich zu mir um, ohne jedoch stehen zu bleiben. »Denken Sie mal genau darüber nach«, sagte er. »Keiner von uns kann Win entkommen. Billy begreift das immer noch nicht. Sonst würde er auf direktem Weg zurück in die Klinik gehen.« Er kehrte mir den Rücken und eilte im Laufschritt zurück zum Clubhaus.
    Ich stieg in meinen Pick-up und hörte meinen Anrufbeantworter zu Hause ab, für den Fall, dass Billy eine weitere Nachricht hinterlassen hatte, was er jedoch nicht getan hatte.
    Mir blieb noch etwas Zeit bis zu Brookes Beerdigung, und ich war der Ansicht, ich sollte sie dazu nutzen, die Dinge, die ich über die Bishop-Familie erfahren hatte, zu ordnen. Ich verleibte mir im ’Sconset-Café ein Sandwich und zwei Tassen Kaffee ein, dann fuhr ich hinaus zum Sankaty-Head-Leuchtturm, gegenüber vom Sankaty Head Golf Club. Der Leuchtturm auf den Dünen ist auf See noch aus fast fünfzig Kilometer Entfernung erkennbar. Er wurde 1850 errichtet, um Seeleuten zu helfen, durch die tückischen Nantucket-Sandbänke, einen wunderschönen, doch tödlich flachen Schiffsfriedhof, zu navigieren.
    Ich parkte am Leuchtturm und wanderte eine Viertelmeile durch das hohe Gras um den Turm herum. Die Sonne schien warm und strahlend, und der Ozean erstreckte sich vor mir in die Endlosigkeit. Manche Leute behaupten, es sei unmöglich, an den Kliffs von Siasconset zum Leuchtturm zu gehen und mit einem einzigen negativen Gedanken im Kopf dort anzukommen. Vielleicht hätte ich diesen Weg nehmen sollen, denn mein Kopf war voll von negativen Gedanken.
    Die Liste der

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