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Infam

Infam

Titel: Infam Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: K Ablow
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Orten gewesen war, als ich mit meiner Freundin Kathy in Marblehead zusammengelebt hatte, einer anderen pittoresken Kleinstadt am Meer, die zu einem Touristenmagnet geworden war. Die verborgene Gefahr derartiger Orte ist, dass die Kombination ihres Reichtums und ihrer augenfälligen Schönheit verhindert, dass der Schmerz an die Oberfläche gelangt, und ihn damit zwingt, sich seine eigene unterdrückte Landschaft aus dunklen, unterirdischen Flüssen zu erschaffen. Deshalb kann man leicht auf die Idee kommen, dass alles bestens ist und dass das Terrain des Lebens vor einem festen Halt bietet, obwohl es in Wahrheit jeden Moment einbrechen kann.
    Auf dem Weg zurück zu meinem Pick-up bemerkte ich einen von Darwin Bishops weißen Range Rovern, der knappe fünfzig Meter von mir entfernt nahe der Straße parkte. Ich winkte, dann stieg ich in meinen Wagen und fuhr zurück zur Stadt, um zuzusehen, wie eine der reichsten Familien von Nantucket Abschied von ihrer kleinen Tochter nahm.
    Darwin Bishops Kollegen kamen in Scharen, um ihr Beileid zu bekunden. Eine Schlange erstreckte sich eine Viertelmeile weit vom Portal von St. Mary’s Our Lady of Hope die Federal Street entlang bis zur kopfsteingepflasterten Main Street. Ich wartete über eine Stunde in dieser Schlange hinter einer Gruppe von Männern, die sich über den Konkurrenzkampf im Ölgeschäft unterhielten, und vor einer weiteren Gruppe, die eine Reise nach Indien plante, um Softwaredesigner zu rekrutieren. Zugegeben, Brooke war nicht ihre Tochter gewesen, und Leute tun ihr Möglichstes, um sich von einer Tragödie zu distanzieren, aber etwas am Tonfall der Unterhaltungen klang so ungerührt, als würden wir für den Eintritt zu einer Tagung oder einem Kino anstehen. Nach etwa einer halben Stunde fing das muntere Geplauder an, mir ernstlich auf die Nerven zu gehen. Nach fünfundvierzig Minuten konnte ich mich nicht mehr zurückhalten und unterbrach einen besonders lebhaften Burschen um die vierzig mit einem dichten Schopf rotblonder Haare und einer Fliege, der sich über die »beschissene Börsenaufsicht« ausgelassen hatte. Ich fasste ihn behutsam am Arm, wobei ich den erlesenen Baumwollstoff seines Nadelstreifenhemds unter meinen Fingern spürte.
    »Entschuldigen Sie bitte«, sagte ich.
    Leicht verärgert über die Störung sah er mich an. »Ja?«, sagte er mit gekünstelter Liebenswürdigkeit.
    »Stimmt es, dass die Luftröhre des kleinen Mädchens blockiert wurde?«, fragte ich.
    »Was?«
    Ich bemerkte, dass seine Freunde noch immer über den Börsenhandel redeten. »So habe ich es gehört, aber ich war nicht sicher. Ich lebe nicht auf der Insel. Ich bin ein Freund von Julia von früher. Ich habe gehört, ihr Baby wurde praktisch stranguliert.«
    »Ich schätze, das stimmt«, bestätigte er verkniffen.
    »Ich dachte nur gerade, wie schrecklich das sein muss«, fuhr ich fort, »nicht mehr atmen zu können. Zu ersticken.«
    »Dann denken Sie eben einfach nicht darüber nach.« Er ließ die Worte einen Augenblick lang im Raum stehen, dann wandte er sich ab.
    Ich lauschte, um herauszufinden, ob meine kleine Störung eine Zeit lang nachklingen würde, und sei es nur, indem Mr. Fliege den Mund hielt. Doch er mischte bereits wieder munter mit und ließ sich aufgebracht darüber aus, dass die Vorschriften der Börsenaufsicht vage und willkürlich wären.
    Dutzende von Limousinen standen an den Stufen zur Kirche aufgereiht. Es ging das Gerücht, dass sie einige der einflussreichsten Gäste, darunter Senator Drew Anscombe und den berühmten Financier Christopher Burch von Links Securities, hergebracht hätten. Der stellvertretende Staatssekretär William Rust und der russische Botschafter Nikolai Tartokovsky waren angeblich an Bord von Darwin Bishops Gulfstream-Jet an die Seite der trauernden Familie geflogen worden.
    Die Atmosphäre innerhalb der Teakpforten der verwitterten grauen Kirche war deutlich feierlicher. Neben dem Eingang stand eine marmorne Marienstatue mit bittend ausgestreckten Händen. Hinter dem Altar leuchtete ein Buntglasfenster in Gold, Rubinrot, Smaragdgrün und Saphirblau, das die Jungfrau Maria in der gleichen Pose darstellte. Zwischen den beiden stand aufgebahrt ein winziger Sarg vor einem weißen Altartuch, auf dem ein dunkelrotes Kreuz prangte.
    Alle Bänke waren besetzt. Ich stellte mich an die Seite des Kirchenschiffs. Als ich meinen Blick über die Trauergäste schweifen ließ, erspähte ich nicht nur Anscombe und Burch, sondern reihenweise

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