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Infam

Infam

Titel: Infam Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: K Ablow
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Verdächtigen für Brookes Ermordung wurde immer länger statt kürzer und umfasste mittlerweile all diejenigen, die in der Nacht ihrer Ermordung im Haus gewesen waren.
    Darwin Bishop stand natürlich ganz oben auf der Liste. Er war der Einzige, der nachweisbar zu häuslicher Gewalt neigte – ein Hang, der Jahrzehnte zurückreichte und sich bis zu den wunden Striemen auf Billy Bishops Rücken erstreckte. Er war der Einzige, der mir gedroht beziehungsweise versucht hatte, mich von dem Fall abzubringen. Soweit ich es beurteilen konnte, war er es gewesen, der die Zwillinge nicht gewollt hatte. Er könnte wütend auf sie gewesen sein, weil sie seinen Plänen für einen Neuanfang mit einer neuen Liebe – Claire Buckley – in die Quere kamen.
    Andererseits gab es da noch Billy. Jeder mit einer so langen Liste von Brandstiftung, Tierquälerei, Sachbeschädigung, Diebstahl und, ja, Bettnässen zeigte die Anlagen eines wahren Psychopathen. Wenn man noch die aufgestaute Wut hinzurechnete, die sich in seinem Hang zur Selbstverletzung manifestierte, dann war das Rezept für eine Katastrophe komplett.
    Meine Überlegungen wandten sich Claire Buckley zu. Wie ermüdend musste es für sie sein, die Rolle einer besseren Babysitterin zu spielen, wenn es in ihrer Reichweite zu sein schien, die Hausherrin zu werden? Was hatte sie empfunden, nachdem sie mit Darwin Bishop die Welt bereist und Luxussuiten und Flaschen erlesenen Weins geteilt hatte, als Julia verkündet hatte, dass sie schwanger wäre – noch dazu mit Zwillingen? Hatte Darwin ihr erklärt, er müsse die Trennung von seiner Frau aufschieben? Hatte Claire die Zwillinge hinter der Fassade der Fürsorge mit Verbitterung betrachtet, als Personifizierung der ungebrochenen Bindung ihres milliardenschweren Geliebten an seine schöne, angeblich entfremdete Frau?
    Ich dachte an Claires Offenbarung von Julias zwiespältigen Gefühlen gegenüber den Zwillingen und an Julias Bemerkung, dass sie sich »wünschte, sie wären tot«. Hatte Claire mir diese Information tatsächlich widerstrebend gegeben? Oder hatte sie die Enthüllung geschickt eingefädelt, um mich von ihrem eigenen Motiv abzulenken? Wie konnte ich sicher sein, dass Julia diese Bemerkung überhaupt geäußert hatte?
    Das brachte mich schließlich zu Julia selbst. Würde ich sie bereitwilliger als Verdächtige betrachten, wenn sie nicht so starke Gefühle in mir wecken würde? Ich musste gestehen, dass Julias postnatale Depression und das daraus entspringende Gefühl der Entfremdung von Brooke und Tess das Risiko erhöhten, dass sie ihnen etwas antat, wenn auch nicht dramatisch. Schließlich legt die überwältigende Mehrheit von Frauen, die an postnataler Depression leiden, niemals Hand an ihre Säuglinge.
    Und dann war da noch Garret, der mir langsam ebenfalls Sorgen bereitete. Mit Darwin Bishop aufzuwachsen hatte ihn augenscheinlich jeder Hoffnung auf eine wirkliche Zukunft beraubt. Ich fragte mich, ob seine innere Überzeugung der Ausweglosigkeit ihn dazu verleiten könnte, andere Familienmitglieder von ihrem Elend zu »erlösen«. Könnte er Brooke getötet haben, um sie zu befreien?
    Ich schüttelte den Kopf. Darwin Bishop hatte behauptet, weder die Polizei noch die Staatsanwaltschaft könnten je Billys Schuld beweisen, da jeder, der in der Nacht von Brookes Ermordung im Haus gewesen war, der Mörder sein könnte. Es war fast so, als hätte sich die gesamte Familie verschworen, Bishops Behauptung nach Kräften zu unterstützen, indem sie einen verwirrenden Tanz um mich herum inszenierten.
    Es gab noch eine andere Betrachtungsweise für dieses Labyrinth der Möglichkeiten. Es stimmte zwar, dass alle Familienmitglieder die Gelegenheit gehabt hatten, Brooke zu töten, doch jedes Mitglied könnte auch einen Teil des Motivs gehabt haben. Die kollektive Psyche der Familie, all jene unbewussten Triebkräfte, könnte eins der Mitglieder angespornt haben, im Namen der Gruppe zu handeln. Vielleicht war es diese Dynamik, die es so schwer machte, einen Hauptverdächtigen herauszukristallisieren.
    Einige Experten des Kennedy-Attentats widersprechen zum Beispiel der Theorie, dass es eine organisierte Verschwörung gegeben hatte, den Präsidenten auszuschalten. Stattdessen, so sagen sie, seien die Interessen aus zahlreichen verschiedenen Lagern zusammengeflossen – einschließlich, wenn auch nicht begrenzt auf, das Militär, die CIA und die Mafia –, die unausgesprochen und fast wie von Zauberhand zusammengearbeitet hatten, um

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