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Infanta (German Edition)

Infanta (German Edition)

Titel: Infanta (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Bodo Kirchhoff
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umarmten uns. Es war ganz anders als zwischen Dir und mir, es gibt dafür kein Wort, das ich gebrauchen möchte. Bei unserer letzten Begegnung wollte ich Dir alles erzählen, aber Du hast mich gleichgültig angesehen. Da bin ich gegangen. Ich fürchtete, Du würdest nur Deinen Kopf schütteln und von mir denken, ich liebte jeden. Aber ich liebe nicht jeden. Nie habe ich jemanden geliebt wie Dich. Du bist so unerwartet in mein Leben gekommen, wie meine Familie aus meinem Leben herausgerissen wurde. Und würdest Du mir mitteilen, Du seist nach Rom zurückgekehrt, oder hörte ich gar nichts mehr von Dir, hätte ich noch einmal das Wichtigste verloren. Natürlich stelle ich mich auf diesen Schmerz langsam ein. Ich nehme ihn, so gut ich kann, vorweg. Das ist dann so, als säße ein Tier in meiner Brust und kratzte am Herzen; ich denke an Dich und bekomme kaum Luft, und das ist kein Bild. Es tut mir leid, Dir das zu schreiben. Ich schäme mich, in Dich zu dringen. Darum berichte ich Dir nun von etwas anderem. Sie haben den Kommandanten erschossen, Du hast vielleicht davon gehört. Aber die Täter waren keine Rebellen, wie es in den Zeitungen heißt, sondern Privatsoldaten. Ich kann Dir das schreiben, denn es ist kein Geheimnis. Sollte jemand den Brief öffnen, bevor er Dich erreicht, wird er nur erfahren, was sich alle bei uns zuflüstern.«
    Wie ein Chamäleon hatte Augustin die Farbe gewechselt; ziegelrot waren seine Wangen, auch wenn Mayla die Geheime Polizei meinte. Er war also nicht besser als diese Bande, er konnte nicht tiefer sinken. Er konnte nur weiterlesen und das Beste daraus machen.
    »Father McEllis nimmt an, daß es Männer aus der Truppe des Ex-Gouverneurs waren; ich traf ihn auf dem Nachtmarkt. Man vermisse uns beide, sagte er. Es herrsche nun ein anderes Leben auf der Station. Ein stilleres. Father Horgan schlummere nur noch. Father Dalla Rosa lese tagelang oder führe Selbstgespräche vor der Bücherwand. Father Butterworth schreibe an irgend etwas, es sei allen schon unheimlich, man fürchte, an einem Roman, und der Superior krieche nur zu den Messen und Mahlzeiten aus seinen Beeten. Er selbst, sagte Father McEllis, lenke sich, wie immer, durch Wetterbeobachtung ab. Würdest Du nicht zurückkommen, könnte er sich nie verzeihen, daß er Dich und mich zusammengebracht habe – und Gussmann hätte seine Genugtuung. Der Name war kaum gefallen, da verabschiedeten wir uns, und ich war traurig. Ich kann hier mit keinem über Wilhelm reden, als würde ihn hier außer mir auch keiner kennen (er ist übrigens der einzige, der an Deine Rückkehr glaubt). Bis Mitte März sei er noch anzutreffen, läßt er Dir sagen. Ich weiß, er wird sterben. So wie ich weiß, daß ich weiterleben werde, auch wenn ich nichts mehr von Dir höre. Ich hatte einen Geliebten in Infanta; Du bist in mir, das sollte genügen. Manchmal glaube ich, Deinen Mund auf meinem Rücken zu spüren, und mir wird schwindlig. Seit mehreren Tagen geht das schon so, es dreht sich dann alles. Ich darf jetzt nicht mehr an Dich denken und muß den Brief beenden, ich weiß nur nicht, wie. Wie kann man aufhören zu lieben, bitte sag mir das. Was rätst Du mir? Soll ich einfach den Stift aus der Hand legen, aufstehen und hin- und hergehen bis zum Morgen? Etwas Besseres fällt mir nicht ein, und darum werde ich es tun . . .«
    Doch es folgten noch einige Seiten. Augustin schloß die Augen und versuchte ruhiger zu atmen. Das Herz war ihm in den Hals geschnellt. Erst als es wieder dort schlug, wo es hingehörte, las er weiter.
    »Ein Tag und ein Abend sind vergangen, und ich schreibe erneut; je länger dieser Brief wird, je länger wirst Du an mich denken – ich weiß, daß Du beim Lesen an mich denken wirst, denn es geht ja nicht anders. Und Du müßtest es sogar, wenn inzwischen eine neue Frau neben Dir liegt. Natürlich stelle ich mich auch darauf ein. Ich möchte das nicht, aber es geschieht. Sobald ich nicht schlafe, sobald ich nicht arbeite, sobald ich diesen Brief an Dich unterbreche, kommen solche Gedanken. Sie zerstören etwas, ich kann nicht sagen, was. Und obwohl Du sie auslöst, bin ich der Zerstörer. Nicht Du denkst böse, sondern ich. Oder bin nicht ich es, die sich vorstellt, wie Du mich, umschlungen mit einer anderen, vergißt? Du streichelst sie unter den Armen, wie Du mich unter den Armen gestreichelt hast; verrate mir, wie man solche Gedanken vertreibt. Kennst Du die Geschichten von Menschen, die mit Phosphor bespritzt sind? Sie müssen bis

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