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Infanta (German Edition)

Infanta (German Edition)

Titel: Infanta (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Bodo Kirchhoff
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halbverhülltes Liebesgeständnis zu erhalten, das er, Augustin der Vernünftige, dann seitenlang beantworten könnte. Mit brüderlichen Argumenten würde er Mayla jedes über Freundschaft hinausreichende Gefühl für ihn ausreden zugunsten einer wichtigeren Liebe, der zu dem Deutschen aus Rom. Augustin fühlte sich vor allem um diese Antwort gebracht. Wie gern hätte er schriftliche Beweise für seine selbstlose Haltung und erstaunliche Reife geliefert. Aber darauf legte sie offenbar keinen Wert; sie schloß ihn ja auch nur in ein Sammelgebet ein. Jedes ihrer wenigen Worte auf dem Zettel nagte an ihm. Wie viele vollkommen andere Worte mochte der eigentliche Brief enthalten; und warum war nicht er der richtige Empfänger? Warum war alles so verfestigt, obwohl das Leben auch anders sein konnte. So gelöst wie in den letzten Tagen.
    Seit Beginn der Unruhen taumelte Augustin von einer Sensation zur nächsten. Überall boten ihm junge Frauen ihren Arm. Nirgends bändelte es sich leichter an als in Menschenketten. Über Maylas Appell an seinen Mut konnte er nur lächeln. Fast täglich fuhr er zu der Lebenden Mauer, um sich in ein Gewoge aus nackten Schultern, warmem Haar und weichen Hüften zu stürzen. Was für ein Segen, daß die neue demokratische Bewegung eine Bewegung der Frauen war. Der Novize hielt den Umschlag gegen die Sonne. Ihre Anrede schimmerte vielleicht durch das Papier, mein Liebster, mein Guter, mein Freund . . . Aber da war nichts zu erkennen, und er rätselte noch eine Weile. Leichter Wind kam auf. Kleine Zweige fielen aus dem Baum; einer landete in Augustins Schoß. Er griff nach ihm. Er spielte damit. Und zu seiner eigenen Überraschung bohrte er den Zweig wie ein Briefmesserchen durch den Umschlag. Da steckte er nun. Und halb in dem Gefühl von Sünde, halb in dem Bewußtsein, nur fortzusetzen, was er im Kreis der Alten begonnen hatte, das Studium einer Liebe, schlitzte der Novize den Umschlag der Länge nach auf.
    Seine Hände zitterten, als er den Brief herauszog; alle Bögen glitten ihm aus den Fingern, der Wind trieb sie hierhin und dorthin. Augustin lief ihnen wie fortgewehten Geldscheinen nach. Während er sie aufhob, zählte er sie. Vierzehn Seiten hatte Mayla geschrieben und eins der Fotos beigelegt, die am Tag seines Abschieds gemacht worden waren – sie, ihr Geliebter und er – das Paar und sein Bote. Er sortierte die Blätter und wartete mit dem Lesen. Dieses sich Bremsen, hoffte er, verringere seine Sünde vielleicht oder gebe ihm Kraft, den Brief zurück in den Umschlag zu schieben. Doch dann sah er die Anrede, »Du, meine Liebe«, und seine Bedenken verflogen. Augustin las.
    »Ich weiß nicht, wo Du jetzt gerade bist, ich weiß nur, Du bist nicht bei mir. Als wir uns das letzte Mal sahen, hatte ich Angst vor Dir. Du hast mich betrachtet wie ein Bild. Dich hat nicht mehr interessiert, wer ich bin, Dich hat nur noch interessiert, wem ich gehöre. Ich habe darüber nachgedacht. Ich gehöre mir; aber nur solange ich an uns beide denke. Und deshalb denke ich in jeder Minute an uns. Bischof De Castro hat mich gefragt, ob ich krank sei. Ich habe nein gesagt, doch war das gelogen. Denn ich vermisse Dich. Ich vermisse Deine Hände auf meinen Schultern. Ich vermisse Deine Stimme, die zu mir spricht. Ich vermisse Deinen Mund an meiner Stirn. Und ich stelle mir vor, wo Deine Hände gerade liegen und wer Deine Stimme jetzt hört und was Dein Mund gerade macht, während ich dies schreibe. Und würde alles geben, wenn wir uns nie begegnet wären, und alles, wenn ich Dich wiedersähe.
    Was soll ich noch sagen? Ich weiß es nicht; dieser Brief war nicht meine Idee. Heute abend, als ich von der Arbeit kam, traf ich Wilhelm, und damit meine ich Gussmann, denn inzwischen nenne ich ihn so. Er trank mit unserem Totengräber Crisostomo Bier und war guter Stimmung, obwohl sein Husten immer ärger wird. Wir gingen dann ein Stück und gaben uns Mühe, nicht nur von Dir zu sprechen. Wilhelm hält Dich für einen verlorenen Sohn. Alles, was ihm fehlt, ist die Familie, sagte er und riet mir, Dir zu schreiben. Und nachdem wir uns getrennt hatten, lief ich nach Hause und begann sofort diesen Brief. Ich weiß nicht, wie lange ich schon so sitze. Ich weiß nur, daß ich mir meine nächsten Worte – die Worte, die gleich folgen – immer wieder überlege. Jedes zählt, denn jedes kann uns trennen. Ich habe eine Stunde bei Wilhelm gelegen, als Du noch hier warst. Ich erfüllte ihm seinen großen Wunsch. Wir

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