Infanta (German Edition)
hat einen meisterhaften Anfang, konnte er einem Autor im Vorbeigehen zurufen, aber folgen dann nicht fünfhundert überflüssige Seiten? Butterworth war damals noch ein halber Jüngling, doch steigerte er sich mit rhetorischen Fragen schon in ganze Stegreifkritiken. Wir mußten mehrfach den Ort wechseln, ich war beeindruckt. Danach verloren wir uns aus den Augen und sahen uns erst auf der Südinsel wieder. Jedenfalls wird Ihnen Gregorio ohne eine Butterworthsche Einführung begegnen. Aber sicher bald begreifen, warum Sie bei uns sind, Mister Kurt. Sie werden ihn mögen. Wie Horgan hat er früher auf jedem Sportplatz seinen Mann gestanden. Ein athletischer Greis. Und unerschrocken; vielleicht etwas eigenwillig in seinem Mut. Oder starrköpfig, im besten Sinne. Er hält sich ja fast stur an den verschlüsselten Text seiner Karte aus Rom. Bis wir den Jeep erreicht haben, sollten Sie nur wortlos den Gepäckträger spielen. Sobald wir unterwegs sind, werde ich Sie als Deutschen aus Rom vorstellen, das hat sich ja bewährt. Und Sie erzählen, wo Sie in der Ewigen Stadt wohnen und welche Plätze Sie lieben, und Greg wird Sie noch während der Fahrt in sein Herz schließen; den Rest überlassen Sie mir.«
Der Verkehr hatte zugenommen. Sie fuhren in einem Strom von Dreiradtaxis und Handkarren. McEllis streichelte die Hündin. Seit langem hatte er nicht mehr so viel geredet. Er war nervös, das Reden half ihm. »West-Virginia gehört ja zu diesen Tieren«, sagte er, »bei denen man sich manchmal fragt, weshalb sie nicht sprechen können.« Und er erzählte die Geschichte der Hündin. Wie sie ihm eines Abends, kaum größer als ein Wollknäuel, auf dem Markt angeboten worden war. Wie er sie dann mitgebracht und zum Erstaunen der übrigen am Leben erhalten hatte. »Mit lauwarmer Milch und gutem Zureden.« Und wie er sich bei der Namengebung gegen andere, durchweg absurdere Vorschläge behauptet und schließlich mit der Idee des Deckens durchgesetzt hatte. »Argumentativ«, sagte McEllis, während sie am Ausgangspunkt ihrer Geschichte, dem Platz vor der Kirche, vorbeifuhren. Beide warteten darauf, daß der andere mit einer Anspielung zuvorkäme, und schon lag der Ort der Erinnerung hinter ihnen. Sie schwiegen dann, bis sie am Ziel waren.
Der Flughafen lag auf einem schmalen Hochplateau südlich der Stadt. Er bestand aus einer Abfertigungsbaracke, einem Schuppen für das Löschfahrzeug und einer gewaltigen Reklametafel. Sie zeigte den Neubau des Flughafens, eine Anlage mit Springbrunnen, die den Namen des geflohenen Präsidenten trug. Die Piste reichte bis an den Rand des Plateaus und war an vielen Stellen ausgebessert. Auf dem Vorfeld stand eine alte Dakota wie zum Zeichen, daß man hier tatsächlich landen konnte. Im Schatten der Tragflächen hockten Soldaten mit ihren Gewehren im Arm. McEllis und Kurt Lukas warteten in der Baracke, die zur Rollbahn hin offen war. Um sie herum saßen Passagiere auf Säcken und Kisten. Der Abfertigungsschalter war noch unbesetzt; ein Erfrischungsbüdchen hatte geschlossen. »Wäre irgend etwas durchgesickert«, erklärte McEllis, »hätte es auf.« Er klopfte sich den Staub von der Kleidung; wie am Tag der Mopedfahrt trug er die abgewetzte blaue Hose und seine unverwüstliche Windjacke. »Weil hier dann Hunderte von Menschen wären«, fügte er hinzu.
Außer den Reisenden standen nur zwei Kofferträger und ein Mechaniker bei dem Schalter. Hinter einer Absperrung warteten Taxischlepper und Händler. Ein gutes Dutzend Männer, ohne die Krüppel am Boden, vier oder fünf Handgänger, die den besten Bettelplatz suchten. Nur Fluggäste und Abholer durften in die Baracke; Kurt Lukas hielt seine Tasche, als sei sie voll, und erwähnte, wie oft man ihn mit leerem Gepäck fotografiert habe. Illusion von Gewicht erfordere schon ein gewisses Können. Nur Winzigkeiten dürften die Anstrengung verraten. Ein Fältchen auf der Wange etwa. McEllis wollte dieses Fältchen sehen, und sie traten ins Freie. Neben der Dakota stand nun ein Tankwagen. Die Scheiben wurden von innen mit Zeitungen bedeckt, um die Sonne abzuhalten. »Also ich staune über das Filigrane Ihres Berufs«, sagte McEllis und betrachtete die kleine Falte. »Ein wirklich liebenswertes Detail.« Er trocknete sich die Stirn. Dann fragte er, ob ihn denn in Rom eigentlich niemand vermisse.
»Wer sollte mich vermissen?«
»Freunde, Nachbarn, Ihre Eltern. Eine Frau, ein Kind. Geschwister, Kollegen; ein Tier.«
»Ich habe nur meine Agentin, die
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