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Infanta (German Edition)

Infanta (German Edition)

Titel: Infanta (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Bodo Kirchhoff
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übrigens ohne zu frieren. Ich hatte mich verliebt.«
    McEllis öffnete die Streichholzschachtel. Er nahm sich ein Hölzchen und holte zum Entzünden aus, hielt inne und sprach weiter. »Mir war, als würde ich die Welt gewinnen, wenn ich nur diese Frau gewinne, die da ohne Schuhe in der Auslage kniete. Alles, was sich in mir angestaut hatte, Mister Kurt, alles, was ich bloß dem Namen nach kannte, erwachte auf der Stelle zum Leben und drängte mich zu ihr. Die ganze gewöhnliche Liebe. Und mit demselben Gefühl der Natürlichkeit, mit der ich vor dem Laden stehengeblieben war, trat ich hinter dem Baum hervor. Sie bemerkte mich nicht, und ich kam immer näher, bis nur noch die Scheibe zwischen ihr und mir war. Um sie auf meinen Anblick vorzubereiten, hustete ich. Endlich sah sie auf, und ich schaute in ein Gesicht, das mir wie eine Fortsetzung meiner Kindheit vorkam. Es war weich und doch fest, ohne eine Spur von Schrecken, nur ein wenig erstaunt. Ich trat dann wieder etwas zurück, und sie lächelte mir zu und arbeitete weiter. Und das, denke ich, war das Entscheidende: Ich sah ihr bei der Arbeit zu. Als alle Bücher aufgestellt waren, verneigte sie sich kurz und verschwand wieder hinter dem Vorhang, und ich lief stundenlang durch die winterlichen Straßen. Ich kannte mich nicht mehr. Nie hatte ich Vorbeugungen gegen so einen Ernstfall getroffen, und nun war die Ansteckung da. Erst nach einem Monat, an den ich keinerlei Erinnerungen habe, betrat ich den Laden und holte ein bestelltes Buch ab. Sie bediente mich und wußte vom ersten Tag an, was ich studierte; und natürlich wußte sie auch, wie lange ich gezögert hatte, mich ihr zu nähern, denn das bestellte Buch lag bereits seit drei Wochen im Regal. Über unsere Abendbegegnung sprachen wir mit keinem Wort. Im Laufe der nächsten Monate konnte ich mir aus Nebensätzen zusammenreimen, daß sie nicht sehr glücklich verheiratet war und daß die Buchhandlung einem Onkel ihres Mannes gehörte, der mich früher bedient hatte. Er saß jetzt nur noch an der Kasse und überwachte alles; wer ihm nicht paßte, bekam Ladenverbot. Ein Tyrann. Sie hatte mein tiefes Mitgefühl, und so versetzte ich mich langsam in sie hinein, womit die eigentliche Leidenszeit anfing; von den Empfindungen einer Frau wußte ich ja nicht das geringste. Es dauerte ein volles Jahr, bis ich meinen Mut zusammennahm und mich ihr in einem umständlichen Brief erklärte. Die ganze Aussage hieß: Ich liebe Sie. Als keine Antwort kam, verlangte ich ein Buch, das ich gar nicht benötigte, und wir führten ein leises Verkaufsgespräch. Und da spielte sie mir plötzlich einen Zettel mit dem Lageplan eines toten Briefkastens zu und flüsterte, daß es ihr weder möglich sei, mir zu antworten, noch an einem anderen Ort mit mir zu reden als in diesem Laden, noch mir zuzulächeln wie am ersten Abend. Ich nahm das zur Kenntnis und deponierte meinen zweiten Brief bei Dunkelheit an der angegebenen Stelle, und bald schrieb ich täglich; meine Neigung zum Tagebuch führe ich auf diese regelmäßigen Briefe zurück. Ich beschrieb ihr, was alles nicht möglich sei zwischen uns, um ihr zu beweisen, wie ähnlich ich dachte. Schon aus Gewohnheit ging ich systematisch vor. Jede Kleinigkeit, die ich bei Verliebten beobachten konnte, erwähnte ich, um dann am Ende vor dieser Art Berührung beim Gehen oder jenem durchs Haar Streichen zu warnen. Die größte Gefahr sah ich für uns beide im Kuß. Ich vertrat die Auffassung, daß uns eine einzige innige Umarmung aus der Bahn werfen könnte; kein so schlechter Instinkt, wie ich heute weiß. Kurz, ich entwickelte in der Verneinung nach und nach eine vollständige Liebesgeschichte. Das mag übertrieben klingen, aber wir hatten das Pech, uns tatsächlich ähnlich zu sein – in unserer Leidenschaft für das Unmögliche. Sie müssen sich meine Beziehung zu dieser Frau wie ein fotografisches Negativ vorstellen, Mister Kurt. Alle Möglichkeiten waren erkennbar, nur die Vergrößerung fehlte. Einmal in der Woche kam ich in den Laden und ließ mich beraten, bevor ich ein Buch kaufte. Keine Gelegenheitsarbeit war mir zu gering, um dieses wöchentliche Buch bezahlen zu können. Von den drei Jahren unserer Beziehung blieb schließlich eine sonderbare Ansammlung von Romanen und Erzählungen übrig, von Gedichtbänden und Nachschlagewerken, von Broschüren zur Wetterkunde, Reiseführern und sonstigem; eine Menge, die zwei große Kisten füllte und später Grundlage der Stationsbibliothek

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