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Infanta (German Edition)

Infanta (German Edition)

Titel: Infanta (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Bodo Kirchhoff
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erfindet, und die vielen kleinen Küsse, die wie ein Regen auf Brust und Bauch niedergehen, tief in der Nacht, wenn keine Autos mehr fahren und sich für einen Liebenden mit dem nahen Gesicht über seinem – oft nur durch wenige Linien – spürbar das Leben neu ordnet, während sich alte Wunden unmerklich schließen. Sie stimmten in vielem überein. Beiden schien das Glück des Anfangs unvergleichlich. Beiden lag an einer angenehmen Stimme. Beide glaubten, man könne von einer Frau mehr lernen als von hundert. Beide sahen im Mund das kostbarste Stück Körper, das man bei einer Trennung mitnehmen möchte. Doch für McEllis waren Liebesnächte auch ein Luxus, den man bitter bezahlt. »Wir hatten nach New York keine Chance«, sagte er. »Jedenfalls nicht in den Jahren danach. Rose und ich waren aus getrennten Welten mit einer gefährlichen, uns in falscher Sicherheit wiegenden gemeinsamen Sprache, Mister Kurt – genau wie Sie und Mayla. Und ich denke manchmal, es war der Leichtsinn meines Lebens, daß ich euch zusammengebracht habe.« Ein Mann mit Funkgerät und Signalkellen ging auf das Vorfeld. Seine Kontur schien zu zittern. Die ganze Rollbahn lag im Glast. Kurt Lukas setzte die leere Tasche ab. »Warum Leichtsinn, Father? Ich bin nicht Sie, und Mayla ist nicht Rose.«
    »Ich fürchte, genau das ist Ihr Irrtum«, sagte McEllis und deutete ruckartig zum Himmel.
    Die Maschine näherte sich parallel zur Piste. Das Fahrwerk war noch eingezogen. Sie flog in geringer Höhe vorbei und drehte dann in einer engen Schleife. Überraschend langsam schwebte sie auf die Landebahn zu und setzte in Höhe des Windsacks mit pfeifenden Rädern auf. Lärmend bremste sie ab und wendete bald. Mit gedrosselten Triebwerken rollte sie zurück und hielt in halbschräger Position zur Baracke; wie bei dem Tankwagen wurden alle Fenster der Kanzel von innen mit Zeitungsseiten bedeckt. Die Soldaten verteilten sich auf dem Vorfeld. Der Mann mit den Signalkellen ging um die Maschine herum und sprach in sein Funkgerät. Die Vordertür sprang auf, und eine schmale Treppe klappte nach außen. Schlepper und Händler begannen an der Absperrung zu rütteln. In der Tür erschien ein Flugbegleiter, der einen blauen Vorhang hinter sich zuhielt. Als das Treppchen gesichert war, öffnete er den Vorhang, und die ersten Passagiere stiegen aus, Mütter mit Kindern; in das Gerüttel mischten sich Rufe. Fahr- und Schlafgelegenheiten wurden angeboten, Träger- und Vermittlerdienste, Führung zu Wunderheilern. Nach den Frauen und Kindern kamen Männer mit Aktenkoffern und scharf gebügelten Hosen; der Flugbegleiter nickte jedem komplizenhaft zu. McEllis übergab Kurt Lukas die Hündin. »Ich brauche gleich beide Arme. Auch wenn ich sie nicht hochreißen darf, wenn er auftaucht.« Den Geschäftsreisenden folgte die Masse der Passagiere. Alle hielten eine Hand gegen die Sonne, sobald sie ins Freie traten; die letzten schauten sich immer wieder um, ehe sie die Maschine verließen. Der Flugbegleiter ging in die Kanzel. Der blaue Vorhang wehte ein Stück aus der Luke. Einen Augenblick später stand ein Mann in der Tür. Er trug einen zeitlosen Anzug, dazu einen Hut, der Augen und Nase beschattete. Während er einen Fuß auf die oberste Stufe setzte, machte er eine eigentümliche Handbewegung: er rieb sich den Bauch. »Das ist er«, flüsterte McEllis, und in dem Moment knallte es kurz. Der Mann schien zu stolpern, der Hut glitt vom Kopf, Blut spritzte auf den Türrahmen, und er drehte sich etwas; sein halbes Gesicht fehlte. Rasch kippte er vornüber und stürzte die Treppe hinunter, verfing sich im Geländer und bewegte den Arm, als würde er winken. Ein weiterer Schuß fiel, und der Mann überschlug sich noch einmal und blieb am Treppenabsatz liegen. Zwei, drei Sekunden lang war es still. Dann geschah folgendes: Aus allen Richtungen stürmten die Soldaten los und feuerten im Laufen in das Führerhaus des Tankwagens. Wie trockenes Husten klangen ihre Schüsse. Die Fahrertür ging auf, ein Körper sank heraus, und wieder war es still. So still, daß alle Soldaten sich umwandten, als McEllis Nein rief, ehe er losrannte. Er rannte, wie ein alter Mensch nur rennen kann, und Kurt Lukas, die Hündin im Arm, rannte ihm nach, während ein Amateur fotografierte; etwas verwackelte, an Ehetragödien erinnernde Bilder entstanden. Befehle, sich hinzulegen, erschallten nun, und neue Schüsse fielen, aber in großer Entfernung. Man hörte das Einschlagen der Geschosse in die

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