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Infanta (German Edition)

Infanta (German Edition)

Titel: Infanta (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Bodo Kirchhoff
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sie, fliege morgen abend nach Singapore und von dort am nächsten Tag weiter. Und viele Kollegen werden folgen, sobald der Begräbnistermin bekannt ist; in Vatikankreisen spricht man vom kommenden Wochenende. De Castro fiel auf diesen alten Trick nicht herein. Er erwiderte, der Heilige Stuhl habe mit Gregorios Beisetzung nicht das geringste zu tun, und im übrigen müsse die Welt davon ausgehen, daß sie von den Hinterbliebenen nicht nach Infanta eingeladen werde. Signora Ruggeri schien daraufhin das Thema zu wechseln. Sie erkundigte sich nach dem dritten Mann auf jenem bekannten Foto, das den Erschossenen und einen Mitbruder zeige. Der Mann, sagte sie, der einer Hündin mit dem wunderbaren, immerhin vom Korrespondenten der Washington Post ermittelten Namen West-Virginia ein Messer in die Brust stößt. Der Bischof sah uns fragend an, wir machten verneinende Gesten, und er nahm sein Verdauungsgranulat, das auch zu diesem Zweck immer bereit steht. Nach der Art eines Barmixers schüttelte er die Dose mit den Körnchen über dem Hörer, was auf der anderen Seite der Welt wie ein Zusammenbrechen der Verbindung klingt, und legte sachte auf.«
    Butterworth kühlte sich den Kopf mit Wasser, ehe er die allgemeine Bestürzung nach dem Telefonat beschrieb. Als er auch auf Mayla einging, begann sein einsamer Kampf gegen den Fabulierer in ihm.
    »Sie hatte sich neben uns gesetzt. Um ihren Handballen wand sich straff ein Rosenkranz aus gelben Perlen. Bald sah ich ihn kaum noch, denn es wurde düster im Raum. Ein Gewitter ging nieder, der Strom fiel aus. Mayla wollte dann eine Kerze anstecken, doch Pio De Castro sagte, Oh, aber keine Kerze, meine Liebe, im Schein einer Kerze bist du uns entschieden zu schön! Daraufhin zog sich Mayla zurück, wenn sie nicht floh. Mit der erklärten Absicht, sie um etwas bitten zu wollen, ging ich ihr nach. Sie saß in ihrem Büro. Vor ihr lag ein Brief, offenbar der Brief von Mister Kurt; fünf brennende Kerzen zählte ich auf dem Schreibtisch. Mayla schaute auf, und ich sagte, was ich sagen wollte. Ich bat um Verzeihung für meine mißglückte Rede auf ihre Talente und Vorzüge, und sie schob ihr Haar hinter die Ohren und nahm die Entschuldigung an. Wir schwiegen eine Zeitlang. Dann bemerkte ich, mit Blick auf den Brief, Mister Kurt bleibe ja jetzt wohl in Infanta, und Mayla drehte das eng beschriebene Blatt wortlos um – ich erkannte eine der Listen. Natürlich wollte ich einen Blick darauf werfen, aber plötzlich fragte sie mich, als hätten wir über etwas vollkommen anderes gesprochen, wie Gregorio früher gewesen sei. Nach meiner Silberspiel-Lektüre zu urteilen, ging es Mayla eigentlich um Mister Kurt, trotzdem beantwortete ich ihre Frage. Gregorio war als junger Mensch ein Draufgänger und Lebemann; später gelang es ihm, seine ganze Ichsucht in Fürsorge umzuwandeln. Weswegen er, setzte ich hinzu, in seiner Abwesenheit oft lebendiger war als wir in unserer Anwesenheit. Ein Liebhaber im besten Sinne. Kaum hatte ich das gesagt, sah sie mir mit einem Ausdruck reinster Neugier in die Augen, wie man ihn bei Tieren antrifft, die zum ersten Mal Menschen begegnen. Father, hatten Sie je eine Frau? Ich holte meine Spitze hervor, hielt mich gleichsam an ihr fest und gestand eine Art Vorerfahrung, Anfang der vierziger Jahre. Aber diese ehemalige Geschichte, sagte ich, während Mayla mich immer noch im Kerzenschein ansah, ging nicht bis zum Äußersten. Ich scheiterte bewußt, wobei ich der Liebe an sich einen Dienst erwies. Sie war mit meiner Antwort zufrieden, und mir blieb erspart, über etwas zu sprechen, das ich seit damals verschwiegen habe; niemand würde es glauben.«
    Butterworth mußte den Bleistift spitzen. In großen Zügen schilderte er dann den Rest des Tages – McEllis’ Vorschlag zur Zusammenarbeit, den ersten Versuch in der Leseecke und das anschließende Abendessen »ohne unseren Gast, der sich entschuldigte, nachdem der Name Ruggeri gefallen war«. Mit Bemerkungen über Horgan beendete der bleiche Priester sein Pensum. »Es bewährt sich jetzt, ihn in letzter Zeit öfter als die anderen umsorgt zu haben. Er erwähnte heut einen Traum, den Mister Kurt ihm erzählt hat, einen Traum von einem deutschen Binnenmeer, an dem unser Gast seine Jugend verlebte, und ich machte mir sofort Notizen. Stellte ihm dann das übliche Glas Wasser auf den Nachttisch, leerte die Pfanne und löschte das Licht, aber Horgan bat mich noch einmal zu sich. Er suchte meine Hand und fragte, Warum schreibst

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