Infanta (German Edition)
– einem Foto, das er leider zerschnitten habe, um die darauf Abgebildeten neu zu gruppieren –, und glaube auch, daß die Sache aufgedeckt werde, aber der Schaden sei bereits da. Augustin gebe Autogramme und kleide sich wie auf der Anzeige. Er sollte am besten, so das Ergebnis einer eilig einberufenen Konferenz, nach Infanta reisen, um an Ort und Stelle zur raschen Aufklärung beizutragen und sich in der Abgeschiedenheit der Station von den Folgen des Größenwahns zu erholen. Butterworth und ich ließen Demetrio bestellen, daß Augustin natürlich willkommen sei, sofern er nicht öffentlich auftrete, und De Castro gab dies weiter, ehe er einem überforderten Psychologen seinen bischöflichen Trost spendete. Kaum saßen wir wieder bei Kuchen und Eistee, klingelte das Telefon erneut. Mayla nahm ab und zog sogleich die Brauen zusammen, hielt sich dann ein Ohr zu und bestätigte zweimal den Anschluß. Überseegespräch. Pio De Castro eilte zum Schreibtisch und ließ sich den Hörer reichen. Eine Journalistin, sagte Mayla. Aus Rom.«
McEllis machte eine Pause; er saß mit Butterworth in der Leseecke. Der bleiche Priester hatte ebenfalls Notizen vor sich, kleine Blätter mit Zitaten und Kapitelüberschriften. Auf der Rückfahrt vom Bischof hatte McEllis überraschend gesagt, sie sollten ihre Karten auf den Tisch legen. »Ich führe längst Tagebuch, und du scheinst auch eine Art Chronik in Angriff genommen zu haben. Wozu die doppelte Mühe?« Und er hatte ihm offene Zusammenarbeit vorgeschlagen, Austausch von Informationen sowie gegenseitige Anregung, und an ihren Zug durch die New Yorker Literatencafés erinnert, an ihr Einvernehmen in allen Geschmacksfragen und die vielen gegenseitigen Hinweise, zum Beispiel auf das interessante Victoria Hotel, an diese ganze unvergeßliche Nacht in den späten Dreißigern, und Butterworth, sichtbar gerührt, war auf den Vorschlag eingegangen – auch wenn er Utopie darin sehe.
Kaum heimgekehrt, hatten sie ihre Manuskripte geholt und sich in die Leseecke begeben, sehr zum Erstaunen des Superiors. Pacquin – er dachte gerade über den Verlauf des Weges nach, der das Begehen der abschüssigen Wiese erleichtern sollte – erkannte, daß sie beide schrieben. Sein Erstaunen wuchs noch, als Butterworth und McEllis gegen Abend ihren ersten zaghaften Versuch wechselseitiger Anregung machten. »Durch Flores erfuhr ich von einem Brief«, sagte der bleiche Priester, »den unser Gast ihr für Mayla mitgegeben hat. Und Horgan ließ durchblicken, auf der Rückseite des Briefs stehe eine Liste mit Orten, an denen Mister Kurt offenbar gern leben würde. Und diese Liste, so konnte ich heute mit eigenen Augen sehen, scheint er täglich neu anzulegen. Und wie mir Horgan, als ich ihn gestern zu Bett brachte, noch verriet, sei Infanta schon von der fünften auf die dritte Position gerückt, unter der nicht ganz ernst zu nehmenden Zeile: Havanna, Cuba, vor der Revolution.« Butterworth pochte mit seiner Spitze entschlossen gegen die Tischplatte. »Ich werde diese Liste die Liste der Wahlheimaten nennen.«
»Ich habe sie als Form von Gedicht bezeichnet«, versetzte McEllis leise. »Nebenbei – mir war nichts bekannt von dem Brief. Aber man kann wohl davon ausgehen, daß es sich um ein Antwortschreiben handelt.«
»Dokumente, deren Inhalt wir allenfalls erahnen können«, flüsterte Butterworth, während sich der Superior in seine Umlaufbahn um den Eßtisch begab. Als Pacquin eine viertel Stunde später – Dalla Rosa war dazugestoßen und trug auf, Kurt Lukas hatte Horgan hereingeschoben – wieder die Leseecke erreichte, schüttelte er nur den Kopf und bekam hinter vorgehaltener Hand versichert, man werde nicht phantasieren.
Kein Problem für McEllis, seit er den Klebestoff ausrangiert hatte; für Butterworth eine heroische Aufgabe, wie sich noch in derselben Nacht zeigte. Schon bei der Schilderung des Anrufs aus Rom – der Bischof hatte sie wieder mithören lassen – mußte er sich zügeln.
»Natürlich war diese Journalistin Signora Ruggeri, von der De Castro schon einmal erzählt hatte – die sogenannte hartnäckige Dame. Sie machte diesem Titel alle Ehre. Ihr Interesse galt ausschließlich dem Begräbnistermin. Gleich zweimal brachte sie das Argument, daß politisch denkende Menschen in aller Welt mit Recht wissen wollten, weshalb Gregorio – dieser mutige Mann, dessen Predigten gegen die Diktatur schon ins Italienische übertragen würden – noch nicht beigesetzt sei. Ich selbst, sagte
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