Infanta (German Edition)
verneinte. Damit war unsere Unterhaltung beendet.«
»Und kam Mister Kurt in der angekündigten Zeit wieder?«
Augustin bat sich aus, eins nach dem anderen erzählen zu dürfen, und zog einen Brief aus der Hose – »Ich schwadroniere nicht gern, auch wenn Father Demetrio das Gegenteil behauptet; ehe ich es vergesse: sein übliches Begleitschreiben« –, er legte den Brief in Horgans Schoß und kam auf den Friseur zurück. »Plötzlich wollte er wissen, ob ich mir von den Weihen eine endgültige Besänftigung meiner Begierden erhoffte, so wie es sich manche Männer vom Alter erhofften. Das war natürlich keine leichte Frage. Während Gomez die fertige Frisur mit Festiger besprühte, dachte ich nach und sagte schließlich, Ich erhoffe mir nur eine gewisse Überlegenheit. Darauf kicherte er und verlangte für seine Arbeit die unverschämte Summe von einundzwanzig Pesos; glücklicherweise kam mein Freund Kurt in diesem Augenblick wieder – etwas über der Zeit – und ließ den Betrag auf seinen Namen anschreiben. Wir gingen dann; mehr kann ich im Moment nicht erzählen.«
»Interessant«, flüsterte Horgan. »Interessant, interessant. Und was steht in dem Brief?«
Augustin gab vor, es nicht zu wissen. Doch wußte er es ganz genau; diesmal hatte er mit Wasserdampf gearbeitet. Demetrio deutete an, daß der Novize nicht mehr der Jüngling sei, der in Infanta gesungen hatte, denn er erteile in gewissen Dingen bereits seinen Rat, und schloß in der Hoffnung, die zu befürchtende Anwendung seiner wie auch immer erworbenen Scheinreife möge den Brüdern keine Scherereien bereiten. »Father Demetrio wird vermutlich eine seiner Lieblingstheorien in dem Brief untergebracht haben«, sagte Augustin, steckte sich eine Zigarette an und dachte an Grace. An Grace, die nach der Liebe zwei Zigaretten zugleich entzündete, was sonst nur in Filmen vorkam, und an Grace, die ihr Studium nicht beenden könnte, wenn sich nicht wieder ein Club fand, in dem sie hünenhafte Gäste mit halben Kindern zusammenführte. Kindern, deren Hände auf den Bäuchen der Männer gestrandeten Seesternchen glichen, wie sie ihm vor der Liebe verraten hatte. Horgan strich über das Begleitschreiben.
»Hast du vielleicht noch mehr zu sagen?«
Augustin schloß die Augen. Er wollte nachdenken, doch da kam es ihm schon über die Lippen: »Ich habe eine Frau kennengelernt.«
»Das ist nichts Besonderes.«
»Aber sie hat mit mir geschlafen.«
»Wo?«
Der Novize erschrak über die Präzision dieser Frage.
Er drückte seine Zigarette aus und sagte, es sei in einer Art Hotel geschehen. »Kein würdiger Ort, Father.« Augustin erwähnte den Blick auf ein Hafenbecken, holte dann Luft und rief in einem Beichtausbruch: »Ihr Name war Grace!« Horgan legte ihm eine Hand auf den Arm. »Uninteressant. Wie du weißt, hatte ich auch einmal eine nähere Bekannte. Aber was hättest du davon, wenn ich dir erzählte, daß ihr Name Phyllis war« – er sprach den Satz ohne Punkt aus, und Augustin nutzte die gebotene Chance. »Und stehen Sie noch in Verbindung mit ihr?« fragte er.
»Nein. Ich nehme auch an, sie ist tot.«
»Warum tot?«
Horgan sammelte Kräfte.
»Sie führte ein beschwerliches Leben. Schon mit zwanzig. Wir verloren uns dann aus den Augen, eine Geschichte, die dir im Moment nichts nützen würde. Doch hat sie eine Nachgeschichte, die mir brauchbar scheint für dich. Zwei Jahre nach der plötzlichen Beendigung unseres Verhältnisses traf ich die junge Dame noch einmal, und da sah sie schon wie dreißig aus. Aber das mag auch an dem Licht in dieser New Yorker Hotelhalle gelegen haben; keine erste Adresse, wenn du verstehst. Wir hatten uns abends in der Bar verabredet, am nächsten Tag sollte mein Schiff auf die Große Südinsel gehen. Phyllis hatte diesen Treffpunkt vorgeschlagen, weil dort ein Spielautomat hing. Während ich von unserer alten Zeit sprach, gewann sie zehn Dollar. Genug für ein Zimmer in diesem Hotel. Ich erzähle dir das, weil du Kein würdiger Ort sagtest. Unsinn. Zweifelhafte Hotels sind oft Paradiese auf Erden. Du hast das Richtige getan. Nur bewahre es für dich. Halte es selbst aus deinen Gebeten heraus. Denn was soll man von Männern halten, die Gott endlos mit ihrer einzigen Affäre belästigen. »
Augustin zündete sich eine neue Zigarette an. Er fühlte sich restlos erkannt, sein Herz schlug wieder einmal bis zum Hals. Mit Mühe brachte er ein Danke heraus.
»Schon gut. Wie alt bist du jetzt?«
»Fast
Weitere Kostenlose Bücher