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Infanta (German Edition)

Infanta (German Edition)

Titel: Infanta (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Bodo Kirchhoff
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dreiundzwanzig.«
    »Ein schönes Alter für einen Mann« – Horgans Stimme wurde schwächer –, »und weil du gerade eine Zigarette im Mund hast, noch ein letztes Geständnis. Die ersten Küsse, die ich empfing, hinterließen stets einen leichten Geschmack von Tabak auf meiner Zunge, weil sich die Übertretung des Küssens schon vor fünfzig Jahren mit der des Rauchens verband.« Er wollte noch etwas hinzufügen, aber da sahen sie ein Licht und hörten Schritte.
    Butterworth, schon bettfertig, eine aufgeschlagene Zeitschrift und eine Taschenlampe in der Hand, trat in den Pavillon. »Das neuste Life-Heft«, sagte er. »Ich habe gerade erst darin geblättert.« Er legte es zu dem Schreiben in Horgans Schoß und leuchtete auf ein ganzseitiges Bild. Es zeigte einen unbekleideten Mann, hingestreckt auf ein Betttuch, Augen geschlossen, eine Hand hinter dem Kopf, Nase an den Oberarm geschmiegt; der andere Arm war ausgebreitet, die Hand wie nach Vollbrachtem entspannt. Neben der geöffneten Achsel, aus der drei Haarlocken abstanden, eine Flasche Eau de Toilette. Butterworth drehte das Heft um neunzig Grad, und die nun aufrechte Gestalt erschien dem Betrachter gleichsam von vorn. »Unser Mister Kurt als der vom Kreuz genommene Erlöser«, erklärte er Horgan und Augustin. »Erlöser von allen Körpergerüchen. Und dieses Bild ist nicht das einzige von ihm in dem Heft. Auf dem anderen, Seite neun, erlöst er unsere West-Virginia.«

W ar das sein Gesicht, wenn er schlief? War das der Mund, den sie liebte? Mayla konnte sich kaum vorstellen, daß sie den Mann auf der Anzeige bis zum Morgengrauen geküßt hatte. Trotz der durchwachten Nacht an seiner Seite saß sie pünktlich am Schreibtisch; vor ihrer Bürotür hatte ein Umschlag gelegen, darin die Illustrierte und als Lesezeichen ein Brief. Absender Augustin.
    Sie war allein; der Bischof nahm an einer Totenmesse auf der Station teil. Wie an den vorangegangenen Tagen mußte sie vor allem Telegramme beantworten, Anfragen ausländischer Redakteure Gregorios Beisetzung betreffend. Und natürlich mehrten sich die Anrufe aus Europa und den Staaten; sie meldete sich nur noch mit neutralem Ja. »Halte mir die Reporter vom Leib«, hatte De Castro gesagt und ihr von Fernsehmenschen erzählt, die ihn in Cagayan abgepaßt hätten. Regelrecht vernarrt seien sie gewesen in seine Figur. Die ganze Entführung habe ihn nicht so erschöpft wie diese Filmerei unter Leitung eines Deutschen – »Von Scheven. Sollte der sich nähern, Jalousien herunter.«
    Mayla sah aus dem Fenster. Da näherten sich nur zwei Katzen, und sie dachte an die Nacht zurück. An ihr Eindringen in seine Kammer, um sich mit ihm zu versöhnen. An ihr Warten auf dem Bett und seine Freude, als er sie sah. An ihr tiefes Luftholen, um ihm endlich von dem Kind zu erzählen; an seine Zärtlichkeiten, die sie hinderten, Küsse auf Wangen und Hals und ein Finger in ihrem Mund. An die Sekunden, die ein Stück Ewigkeit waren, das große gegenseitige Geschenk. All das sollte die Ausnahme in ihrem Leben sein, und nun wünschte sie, daß es die Regel wurde. Warum liebte sie gerade ihn – noch nie hatte sie sich diese Frage gestellt. Es war geschehen, wie ein Unglück geschah, plötzlich und hinterrücks. Er war aufgetaucht, später verschwunden und dann überraschend zurückgekehrt. Er hatte jede ihrer Hoffnungen erfüllt, sogar die auf ein Kind. Nur war das alles nicht sein Plan gewesen; seine einzigen Pläne schienen Reisepläne zu sein, seine schönsten Gedanken waren immer woanders. Wenn er sie am übermütigsten liebte, konnte er ihr am ehesten angst machen. Ganz sachte verlor sie dann ihr Gewicht neben ihm. Wenn sie sich nachts umarmten, war diese Leichtigkeit wunderbar, und in der letzten Nacht hatte sie am Ende das Gefühl eines Fluges gehabt, war gefallen und gefallen und doch wieder gestiegen. Aber nun war Tag, und sie schwebte noch immer, ein wenig haltlos jetzt; er fehlte ihr, als sei er wieder verschwunden. Doch vielleicht mußte das ja so sein. Sie besaß keine Vergleiche. Alles, was geschah zwischen ihnen, war neu – seine Küsse, über den ganzen Körper verteilt, machten sie so gespannt, daß sie das Leben in sich vergaß. Er nahm ihr selbst dieses Gewicht. Ja, sie hielt es für möglich, daß sich die Frucht in ihr zurückbilden würde, wenn sie Nacht für Nacht mit ihm schliefe. Nur im Streit mit ihm stand sie fest auf dem Boden, während er federleicht wurde. Immer hatte sie die besseren Argumente, denn er hatte

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