Infanta (German Edition)
bewundere das. Übrigens hat sie ihren Diener verloren. Ich glaube, er heißt Ferdinand.«
»Ja, Madam, so heißt er. Eine traurige Geschichte.« Mayla erfuhr sie von Hazel. Doña Elvira – überreizt in Erwartung der Weltpresse – hatte auf Ferdinands unverbesserlich schlechten Geschmack bei der Plattenwahl zwischen ihren Auftritten mit einer öffentlichen Schilderung des peinlichen Eingriffs an ihm reagiert, worauf er schrie, sie könne sich einen neuen Idioten suchen, und Rache schwörend hinausgestürzt war.
»Soweit ich weiß, wohnen Sie mit seiner Tante in einer Hütte zusammen.«
»Gibt es etwas, das Sie noch nicht wissen, Madam?«
Elisabeth Ruggeri hielt sich das Glas mit dem Eiswasser an die Stirn. »Im Moment weiß ich noch wenig über diesen Ort. Sie glauben nicht, was man über einen Ort und seine Menschen alles herausfinden kann. Was weiß ich denn zum Beispiel über Sie? Ich weiß, daß Sie Sekretärin des Bischofs sind und vorher alten Missionaren das Haus geführt haben. Ich weiß, daß Sie durch einen üblen Trick auf ein Plakat kamen, und weiß, daß man von Ihrer Schönheit redet. Außerdem weiß ich, wessen Geliebte Sie sind. Aber ich kenne nicht einmal Ihren vollen Namen.«
Mayla nannte ihn.
»Und wo sind Sie aufgewachsen, hier?«
»Ja, Madam.«
»Und Ihre Eltern leben hier noch?«
»Sie sind tot.«
»Das tut mir sehr leid. Wovon haben sie gelebt?«
»Sie sind tot«, wiederholte Mayla im gleichen Ton. »Man hat sie erschossen. Es spielt keine Rolle mehr, wovon sie gelebt haben.« Sie nahm sich eine neue Zigarette und sah aus dem Fenster. Ein Jeep, umringt von Kindern, fuhr langsam auf das Haus zu. Hinter dem Fahrersitz stand ein Mann und filmte. Sie ließ die Bambusjalousie herunter. »Dann tut es mir um so mehr leid«, sagte Elisabeth Ruggeri. »Frage ich Sie also etwas ganz anderes: Warum rauchen hier alle Leute so viel?« Mayla spreizte zwei der dünnen Bambusstreben und behielt den Jeep im Auge. »Die Zigarette ist bei uns auch eine Art Uhr, Madam. Hier geht viel nach Zigarettenlängen; Sie sind jetzt schon fünf Zigarettenlängen in meinem Büro.«
»Was ist die Regel, wenn jemand zu Ihnen kommt?«
»Eine. Bei Geldsorgen und Todesfällen zwei.«
»Und wie viele Zigarettenlängen verbrachten Sie mit Kurt? Fünfhundert? Achthundert? Oder noch mehr?« Elisabeth Ruggeri öffnete die Kartentasche und nahm ihr Schreibheft heraus. »Ich frage Sie das, weil ich an einem Buch arbeite. Eine Sammlung von kleinen Begebenheiten, die alle mit Glück zu tun haben. Und diesen Zustand nach Zigarettenlängen zu messen, erscheint mir sinnvoll. Während des Flugs hierher fiel mir auch endlich ein Titel ein. Im Schatten des Glücks. Wie gefällt Ihnen das?«
»Ich verstehe es nicht, Madam.«
»Dann muß ich den Titel ändern. Scheiße .«
Sie fluchte auf deutsch und brauchte danach etwas Zeit, um das entscheidende Wort für ihre nächste Frage zu finden. »Lieben Sie Lukas sehr, ich meine, sind Sie ihm verfallen?«
Mayla drehte sich um; der Jeep war abgebogen. »Ja, ich liebe ihn sehr. Das andere kann ich nicht beurteilen.«
Elisabeth Ruggeri blätterte in ihrem Heft. »Ich glaube, Mayla, Sie besitzen etwas, das mir fehlt. Aber fragen Sie mich bitte nicht, was.«
»Möchten Sie noch Eiswasser, Madam?«
»Gern. Und Sie müssen nicht Madam zu mir sagen.«
»Was sonst?«
»Elisabetta. »
»Dazu mag ich Sie nicht genug.« Mayla nahm das Glas entgegen und sah dabei in die Kartentasche. Sie sah ein laufendes Tonband, und die Journalistin tat ihr leid. Später müßte sie sich also noch einmal anhören, daß sie nicht genug gemocht wurde. »Wann werden Sie Lukas treffen?«
»Heute abend. Aber machen Sie sich keine Sorgen. Ich bin auf Ihrer Seite. Kurt bedeutet mir nicht die Welt und ich ihm wohl auch nicht.«
»Warum haben Sie dann zusammen geschlafen?«
Elisabeth Ruggeri stand auf.
»Wir sind zwei Erscheinungen, die sich nicht übersehen können. Aber ich glaube, er und ich haben noch nie zusammen geschlafen. Wir machten nur Verschiedenes in ein und demselben Bett; tue ich Ihnen weh? Ich möchte das auf keinen Fall.«
Das Telefon läutete. Mayla legte eine Hand auf den Hörer und ließ sie dort liegen. »Ich werde Sie rechtzeitig bitten zu gehen, Madam.«
»Gut« – Elisabeth Ruggeri nippte an dem frischen Eiswasser –, »Sie müssen eins wissen, um mich zu verstehen – ich habe in meinem Leben höchstens drei- oder viermal wirklich mit einem Mann geschlafen. Und das ist Jahre her.
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