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Infanta (German Edition)

Infanta (German Edition)

Titel: Infanta (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Bodo Kirchhoff
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schwarze Barpianist war ihr gewachsen und ist es noch immer. Ich sehe Grazia Adelina, grau und etwas geschrumpft, in diesem Hotel sitzen und ihrem Entertainer zuhören, der gewiß auch steppen kann. Und nach dem letzten Lied – Arrivederci Roma, ihr zu Ehren – fährt das alte Paar nach oben; seit die Kinder erwachsen sind, bewohnen Grazia Adelina und ihr Pianist eine Suite unter dem Dach, zusammen mit zwei Katzen, die er in Erinnerung an Italien Mortadella und Mozzarella getauft hat; oder gibt es in diesem Hotel keine Suiten?«
    »Oh, doch, es ist ein sehr gutes Haus.«
    »Das beruhigt mich. Grazia Adelina hat es verdient. Und solltest du nicht alles verstanden haben, was ich von ihr und mir erzählt habe, Lukas, kann ich vielleicht sogar das eine oder andere für dich wiederholen – sobald Ordnung in der Bibliothek herrscht.«
    Die beiden kehrten in den Gemeinschaftsraum zurück, und ihre leichte Wehmut, in die Dalla Rosas Geschichte sie eingewebt hatte, legte sich rasch; sie trafen ein gewisses Leben an. McEllis und Butterworth saßen bei Schreibarbeiten und einem Glas verdünntem Bourbon. Augustin, eine Dose Cola in der Hand, deckte summend den Tisch. Pacquin zog seine Bahn. Und Horgan, die Augen halb geschlossen, kaute appetitanregende Cracker. Fast unmerklich schlich sich die Stunde des Drinks wieder ein.
    »Wer genau hinsah«, notierte McEllis später in seiner Kammer, »mußte zu dem Schluß kommen, daß die Trauer um Gregorio doch ein wenig nachläßt. Unser großer Schmerz über den Verlust (strenggenommen den Verlust seiner Abwesenheit, an die man sich gewöhnt hatte) flaut allmählich ab, und die üblichen Abendbeschäftigungen werden – fast möchte ich behaupten mit ganz neuem Schwung – wiederaufgenommen. Natürlich fiel vor dem Essen keine Bemerkung, die zum Lachen reizte, und auch das anschließende Tischgespräch verlief noch gedämpft. Doch griffen wir nach und nach das menschlichste Thema, das wir je in unserem Kreis besprachen, die Liebe zwischen Mann und Frau, wieder auf, in der wachsenden Überzeugung, daß Gregorio, an dessen Sarg wir endlich beten können, sich lebhaft beteiligt hätte.«
    McEllis schweifte dann ab. Er klagte über das billige, leicht entflammbare Toastbrot, das Butterworth immer einkaufe, und erwähnte, wie er bei Tisch nach wie vor einen Arm mit offener Hand herabhängen lasse, um West-Virginias weiches Näschen zu empfangen. Dagegen erwähnte er mit keinem Wort, was er seit gestern, gleichfalls wortlos, in Angriff nahm – mit Hilfe von Spanplatten und einer übelriechenden Holzmasse verschloß er alle für die Hündin ausgesägten Sondertürchen. Von West-Virginia kam McEllis auf den Gast, der nun wohl irgendwie in ihren Kreis gehöre.
    »Wie rasch er inzwischen auch die leichten Zeichen unserer Sympathie bemerkt und dankbar annimmt. Pacquins Bauauftrag. Dalla Rosas verkapptes Du (sollte vielleicht ab jetzt Kurt zu ihm sagen). Horgans Bitte um Gesellschaft. Butterworth’ Befragungen. Meine Anstöße, seine Beziehung zu Mayla betreffend, zuletzt beim Abendessen. Nun, Mister Kurt, fragte ich vor dem Dessert, wie würden Sie das, was sich zwischen Mayla und Ihnen entwickelt hat, nennen? Gespanntes Schweigen rund um den Tisch, dann seine Antwort: Liebesgeschichte. Natürlich ein Ausweichmanöver. Butterworth, wer sonst, hakte sofort nach. Selbst eine großartige Geschichte hat stets den Nachteil ihrer Struktur. Sie entwikkelt sich aus einem Anfang, erreicht irgendwann einen Gipfel und steuert dann zwangsläufig auf das Ende zu – ist das in Ihrem Fall auch so?« McEllis schaute in seine Notizen, die er nach Tisch gemacht hatte, und hielt dann den Gesprächsverlauf nach Butterworth’ Bemerkung wie einen Bühnentext fest.
    »Mister Kurt: Ich kann Ihnen nichts über das Ende dieser Geschichte sagen. Ich habe vorher nie geliebt.
    Dalla Rosa: Unfug, Lukas, und obendrein Theater. Gefühle für erstmalig zu erklären ist immer ein Trick, um sie zu vergrößern.
    Mister Kurt: Aber ich möchte bei Mayla bleiben, und das wollte ich noch nie bei einer Frau. Ich liebe sie. Und sie liebt mich. Ich merke das.
    Pacquin: Sind Sie da sicher?
    Augustin: Bei Mayla würde es jeder merken.
    Butterworth: Kümmere dich besser um den Kühlschrank.
    Pacquin: Da fällt mir ein, es existiert noch ein Schreiben von Demetrio, das zur Kenntnis genommen werden muß.
    Horgan, hauchend: Sollten wir uns das vor dem Begräbnis nicht ersparen? (verhaltene Zustimmung) Aber zurück zur Sache, Kurt – die

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