Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Infanta (German Edition)

Infanta (German Edition)

Titel: Infanta (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Bodo Kirchhoff
Vom Netzwerk:
bei den großen amerikanischen Sendern noch beim Italienischen oder Deutschen Fernsehen kam man im Laufe dieses Vormittags beziehungsweise dieser Nacht, was die Fragen zu Gregorios Begräbnis betraf, weiter; kein einziger Redakteur und kein einziger Korrespondent, der im kühlen Hamburg oder in Fidelios mörderischer Kabine die Nummer des Bischofs von Infanta wählte, hatte Erfolg. Niemand hob ab.

H öre, Lukas, Lieblingsbücher sollten Lieblingsbücher sein, weiter nichts. Und eine Hausbibliothek sollte eine Ordnung von Lieblingsbüchern darstellen. Ich sagte sollte, denn diese Anhäufung von Geschriebenem, die du hier siehst, ist von meinem Ziel weit entfernt. Ich will keineswegs undankbar sein, aber mit McEllis’ Schenkung stimmt etwas nicht.« Dalla Rosa stand auf einem Stuhl, um im obersten Regal die Grenze zwischen den Abteilungen Romane und Varia neu festzulegen. Kurt Lukas reichte hinauf, was aus zugänglicheren Regalen verbannt werden sollte; unter seinen Nägeln war Erde. Seit er mit Butterworth am Nachmittag den halbfertigen Grabweg abgeschritten war, führte er auch im Kopf keine Liste mehr. Sein Ort stand fest.
    »In dieser Sammlung steckt etwas Ungesundes, nur sollte das unter uns bleiben«, sagte Dalla Rosa von oben herunter. »Ich kann es beurteilen, glaube mir, Lukas. Bis auf eine Ausnahme habe ich mich immer nur mit Büchern abgegeben. Und verzeih mir die italienische Anrede, aber seit Gregorios Tod gerate ich in merkwürdige Stimmungen. Nach gut fünfzig Jahren Ruhe höre ich plötzlich alte Lehrer reden, sehe meinen Schulweg vor mir und rieche den säuerlichen Geruch kleiner Weinläden. Und diese Zustände lassen sich steigern, wenn ich dich duze und mit dem Nachnamen anrede, also gestatte es mir.«
    Kurt Lukas reichte einen Stoß broschürenartiger Romane hinauf, sagte, es sei ihm ein Vergnügen, und wollte dann Näheres über die Ausnahme wissen.
    »Sprechen wir zuerst über die Regel. Wie ich dir schon erklärte, liebe ich Bücher und habe sie immer geliebt. Ich glaube, die Welt muß in Bücher münden, sonst ist sie verloren. Vielleicht fällt es mir darum so schwer, ein Buch wegzuwerfen. Selbst das, was jetzt nach oben wandert, erhält hier seinen Platz. Zum Beispiel Küß mich, wenn die Milch kocht. Untertitel, Ein heiterer Roman. Auch aus der McEllis-Schenkung. Oder: Treppe ins Herz. Gedichte. Oder: Peitsche der Eifersucht, Drama von John Stopwell; nie gehört. Kannst du mir verraten, nach welchen Gesichtspunkten das alles angeschafft wurde?«
    »Nein.«
    Kurt Lukas log aus voller Überzeugung.
    Dalla Rosa blies den Staub von den Büchern. »Und was wäre dein Vorschlag? Ab ins Varia-Fach, nehme ich an. Eine zu einfache Lösung, vor der ich dich warne. Die Qualität einer Bibliothek erkennt man an der Abteilung Verschiedenes. Es muß sie geben, aber sie sollte nicht zu groß sein. Umfaßt sie zu viele Titel, offenbart sie nur Unsicherheit. Ist sie zu schmal, könnte man daraus schließen, daß es der Bibliothek an Sonderbarem fehlt« – er schob den Stoß widerstrebend in das Fach für Romane; bei einem Buch entschied er sich im letzten Augenblick anders – »Roberto Gysin, Mein Leben unter Indianern. Unser Pater Pathos. Er war glücklich und schrieb. Varia.«
    Kurt Lukas reichte den nächsten Stoß. Die Arbeit gefiel ihm. Er spürte sie kaum und war doch ganz bei der Sache. Irgendwer müßte in Rom die Daueraufträge kündigen, dachte er. Vielleicht Elisabeth Ruggeri, von der schon halb Infanta sprach.
    Dalla Rosa überflog die Titel, sortierte dann rasch, und wieder blieb ein Band übrig. Er wußte nicht, wohin damit, und ließ sich vom Stuhl helfen; sein machtvolles Auge fixierte den Assistenten. »Tagebuch eines Verführers – wo hast du das gefunden, Lukas?«
    »Zwischen den Bildbänden über New York. Es stand auf dem Kopf und war etwas nach hinten gerutscht. Wilhelm Gussmann zitierte daraus.«
    »Das kann ich mir gut denken. Er behauptete jahrelang, es sei ihm entwendet worden. Nun, offenbar hatte er recht. Seit seinem Austritt war ich auf der Suche nach dem Buch.« Dalla Rosa entstaubte den Einband, glättete zwei Eselsohren und stellte das berühmte Werk ins Philosophie-Fach. »Damit ist es genug für heute«, sagte er und schlug vor, in den Garten zu gehen, solange es noch hell sei; wie die übrigen interessierte auch er sich für den Weg, den der deutsche Gast mit überraschender Zähigkeit anlegte.
    Von den Tulpenbäumen neben der Station führte die abgesteckte Strecke,

Weitere Kostenlose Bücher