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Infanta (German Edition)

Infanta (German Edition)

Titel: Infanta (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Bodo Kirchhoff
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bleiben?«
    »Das weiß ich nicht.«
    »Bleiben Sie bis zu Father Gregorios Rückkehr. Falls Sie an der Beobachtung einer Revolution interessiert sind.«
    Kurt Lukas spürte einen warmen Atem im Nacken. Doña Elvira erneuerte ihr Angebot, ging dabei im Preis etwas herunter und ließ nicht unerwähnt, daß Zahlungserleichterungen bei ihr die Ausnahme seien. Nebenbei warf sie Münzen in die Musikbox und drückte zwei Tasten. Schon aus Prinzip tue sie es niemals umsonst, fügte sie hinzu und lud den Kommandanten mit einer Handbewegung in ihre Garderobe ein; rückwärts zuerst, Kurt Lukas im Blick, dann über eine ihrer nackten Schultern schauend, entschwand sie in ihr Privatreich und blieb dem Publikum doch erhalten: mit einer herbsüßen Fahne und einem Lied nach ihrem Geschmack. Ein Knistern und Rauschen kam aus den Flanken der Box, die Nadel hüpfte auf der Scheibe, E-sieben lief an. Zwei, drei Töne, und Kurt Lukas erkannte das schöne alte Mary-Lou, schloß die Augen und tat, als würde er singen. Als er sie wieder aufschlug, sah er Wilhelm Gussmann vor sich.
    »Wir sollten nach Hause.«
    »Warum, es geht mir gut.«
    »Mir nicht, ich bin betrunken«, sagte Gussmann und hustete sich den Weg frei. Kurt Lukas folgte ihm. »Wer so hustet«, rief er, »gehört in ein Bett!« Sie stiegen die Leiter hinunter. »Das Bett ist für die Liebe da und für den Schlaf, ich sage dir, ich werde nicht einmal sterben in einem Bett« – der frühere Priester erholte sich –, »du begreifst mich nicht, Wertester. Vielleicht sprichst du einmal mit Mayla. Mayla begreift mich, Gott weiß, wie sie das anstellt. Narciso hat sie übrigens geschlagen, wie ich erfuhr; ich glaube, er träumt jede Nacht von ihr. Ich nie, wenn es dich interessiert. Ich denke nur an sie. Echte Leidenschaft ist zu gradlinig für einen Traum. Welchen Eindruck hast du von Mayla?«
    »Sie ist bescheiden.«
    »Weit gefehlt! Sie hat mich die Hälfte meines Herzens gekostet. Bisher. Aber das stört mich nicht. Oder würde es dich stören? Kommt auf den Umfang deines Herzens an, nicht wahr? Infanta wird dir guttun.«
    »Das hat schon McEllis gesagt.«
    »Ja, es passiert ab und zu, daß er recht hat. Erzähl ihm besser nichts von unserer Begegnung. Er kann sehr eifersüchtig sein.« Der frühere Priester setzte sich ohne Ankündigung auf den rutschigen Pfad und überließ sich der Schwerkraft. »Mir nach«, johlte er und war schon in der Dunkelheit verschwunden. Kurt Lukas stürzte sich hinterher, Hände vorm Gesicht, Knie angezogen, einen Schrei auf den Lippen, wurde schneller und schneller und spürte und sah nichts, weder Dornen noch Äste. Wie geschmiert ging es hinunter; nur eine große Trägheit, die spürte er deutlich.
    Am Fuß des Abhangs wartete Gussmann, Erde an den Händen, Zweige im Haar, schon wieder hustend. »Wenn du in nächster Zeit Lust hast, komm in meinen Laden, Wilhelm’s Book Store steht über dem Dach.« Er schwankte hustend davon. »Und nun verlaufe dich nicht auf dem Heimweg – rechts halten, immer der Stille entgegen.« Sein Lachen erklang. »Und wenn du in nächster Zeit Lust auf Mayla bekommst, verspäte dich nicht mit der Liebe.«
    Wo war rechts? Ein ewiges Problem für Linkshänder, besonders nachts. Kurt Lukas ging am Rande des Wegs. Der weiche Boden dämpfte jeden Schritt. Wie spät mochte es sein? Er trug keine Uhr; immer wieder hatte man ihm schöne Uhren geschenkt, und er zog sie nicht an. Jedenfalls war es die Zeit der Hunde. Aus allen Richtungen kam ihr verlorenes Kläffen. Über dem Wald jenseits des Tals stand ein blaßroter Mond; die Palmstämme schimmerten, als seien sie entblößt. Rechts halten, immer der Stille entgegen. Es konnte gar nicht still genug für ihn werden. Alle redeten sie ja hier auf ihn ein. Wie auf ein Kind. McEllis und die anderen Alten. Dieser Narciso. Gussmann. Die schwarze Sängerin. Ihr pubertierender Page. Der Kommandant. Der Bischof. Dieser Bischof, der ihn sogar mit dem Namen einer Bekannten erschreckt hatte. Elisabetta Ruggeri. Keine Geliebte, keine Verflossene, keine alte Bekannte. Aber auch keine x-beliebige. Einen einzigen Abend hatte er mit ihr auf seiner Terrasse verbracht, Juni letzten Jahres, er wußte gar nicht mehr genau, warum, sie schrieb an irgendeiner Serie, in der er irgendwie vorkommen sollte, vielleicht aber auch nur seine Einrichtung. Gesprochen hatten sie an dem Abend kaum. Dagesessen hatten sie, getrunken und sich angesehen. Erst auf der Straße, beim Abschied, waren sie sich

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