Infanta (German Edition)
in der Bude. Der Durst nach dem Anstieg, Father Gussmann hat mir oft davon erzählt. Du mußt dich hinlegen, die Augen schließen.« Sie sprach leise auf ihn ein, und er wechselte von der Stuhlkante zur Bettkante. »Aber ich habe kaum getrunken.« Mayla rückte ein Stück. »Das sagt Father Gussmann dann auch.« Sie lächelte und griff nach ihren Zigaretten.
Er war froh, daß sie rauchte. Frau im Bett mit Zigarette bedeutete fast immer Pause. Und war ein gewohntes Bild. Das Glimmen in der Dunkelheit, das regelmäßige Aufleuchten der Glut, der Schimmer auf den Fingernägeln. Alles andere war ungewohnt. Das, was so einfach aussah. Er kam, und sie war schon da. Kein Wasser, kein Problem. Ihr Puls? Der schlage auch später noch. Das Licht aus? Bitte. Entweder hatte sie keine Angst, oder er hatte mehr Angst als sie.
»Und hast du in der Bude Father Gussmann getroffen?«
»Warum nennst du ihn immer Father? Er ist kein Priester mehr.«
»Du hast ihn also getroffen.«
»Ja. Und als wir uns trennten, rief er mir zu, man käme noch nicht zu spät bei dir.« Kurt Lukas hatte sich grandios verhört. Mayla ging darüber hinweg. »Wenn du nicht zuviel getrunken hast, warum wurde dir übel? Hast du mein Essen nicht vertragen?«
»Dein Essen war wunderbar. Nein, es liegt an der Hitze, an allem. Ich gehöre hier nicht hin.« Er wollte ihr weder von Doña Elvira erzählen noch von seiner Begegnung mit der Frau im Schmutz. Er wollte gar nicht erst anfangen, von anderen Frauen zu reden.
»Und wo gehörst du hin?«
»Ich weiß es nicht. Nach Paris. Oder Rom. Oder Mailand. In Hotels. In meine Wohnung. Auf Fotos.« Er ließ sich zurückfallen, Mayla beugte sich vor; sobald sie an der Zigarette zog, erkannte er ihr Gesicht über seinem.
»Und wohin gehörst du am meisten?«
»Ich weiß es nicht. Vielleicht nach Rom.«
»Und warum gehörst du auch nach Paris oder Mailand?«
»Weil ich dort arbeite.«
»Du arbeitest?«
»Ja. Willst du auch wissen, was?«
»Erzähl es mir später.«
Sie beugte sich tiefer herunter, und das Kreuz an ihrer Halskette stieß klingelnd an seine Zähne. Ein Anfang; er zog an dem Kettchen. Einer einfachen Logik folgend, zog er ihren Kopf ein Stück näher. Er hob eine Hand und strich ihr das Haar hinter die Ohren, entwirrte und glättete es und brachte es wieder in Unordnung.
Mayla löschte die Zigarette.
»Kennst du viele Frauen?«
»Ja.«
Er löste ihren Gürtel. »Du kannst nur meine Oberlippe küssen«, sagte sie rasch. Dann verschieben wir die Unterlippe auf ein anderes Mal, wollte er entgegnen, aber das entscheidende Wort fiel ihm nicht ein. Mayla nahm ein Ende vom Bettuch, trocknete ihm Schläfen und Stirn und tupfte den Schweiß von seinen Wimpern. Sie entfernte ihm Reste vom Kinn, tastete das Haar auf seiner Brust nach Erbrochenem ab und blies ihm in die nassen Achseln. Mit zögernden, aber immer zu Ende geführten Bewegungen bröckelte sie ihm die getrocknete Erde von Armen und Beinen, befeuchtete seinen Bauch mit ihrem Speichel und säuberte ihm den Nabel.
Er umschloß ihre Hände. Aus Furcht vor einer noch intimeren Toilette bog er ihr die Arme sanft auf den Rücken. Dann küßte er die unverletzte Lippe, und Mayla erwiderte sein vorsichtiges Saugen. So lagen sie eine Weile; hätten sie sich ungehindert küssen können, wäre Mayla sicher ängstlich geworden, und wäre in dieser Nacht Wasser geflossen, hätte er weniger Zurückhaltung geübt. Kleinigkeiten sorgten dafür, daß alles gutging.
Kurt Lukas kannte so etwas nicht. Sein ganzer Körper schlief dabei ein, bis auf den Mund. Wie von einem Gleis gekippt, lag er auf der Seite und rührte sich nicht und hatte auch kein Verlangen, anders zu liegen, ja, dachte nicht einmal daran, wie er aus dieser Lage je wieder herauskäme; weit weg waren die Tage, an denen er sich mehrmals verliebte. Beim Frühstück in das Fixe eines Stehbarobers. Am Vormittag in ein paar Schuhe. Am Nachmittag in einen Zeitungsleser, der müßig in der Galleria stand. Am Abend in einen Film. Nachts in das Freche einer Schülerin, gegen Morgen in eine Hure. Kurt Lukas betrachtete sich nicht als verliebt. Er betrachtete sich gar nicht; er versuchte nur, ein Kleid aufzuknöpfen.
»Was willst du?« fragte Mayla in vernünftigem Ton.
»Ich will dich ausziehen.«
Sie kniete sich neben ihn. Mit einer Hand zog sie sich aus und mit der anderen nahm sie das Bettuch. Kaum war sie nackt, war sie auch schon wieder bedeckt. »Du mußt wissen, ich habe noch nie bei einem
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