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Infanta (German Edition)

Infanta (German Edition)

Titel: Infanta (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Bodo Kirchhoff
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ihn wieder besuchen. Und dann sehe er sie ja während der Mahlzeiten. Ihre Stimme wurde leiser. »Dein Platz ist günstig. Sie haben ihn dir mit Absicht gegeben. Du kannst in die Küche schauen, am Kopf von Father McEllis vorbei; alle haben sich ein wenig umgesetzt, damit du den Blick hast . . .« Kurt Lukas unterbrach sie. »Hinauswerfen werden sie mich, sobald sie etwas merken. Und dich am Ende auch.« Mayla biß sich auf die Kruste. »Du kennst sie nicht. Denkst du, irgendein Geschehen in diesem Haus sei zufällig? Oder könnte ihnen verborgen bleiben? Es wäre sinnlos zu lügen; sie werden bald wissen, daß wir zusammen waren. Oder bist du es gewohnt zu lügen?« Er sah über das Tal und antwortete mit einer Lüge. Mayla berührte seinen Mund. »Ich möchte hören, wie du meinen Namen sprichst.«
    Er sprach ihn aus.
    »Das war zu schnell, Lukas, noch einmal. Wir haben nur zwei gemeinsame Worte, unsere Namen. Ich wünschte mir, ich könnte deine Sprache verstehen.«
    »Du wirst noch froh sein, daß wir nicht dieselbe Sprache sprechen.« Und er wiederholte den Namen, zweimal, dreimal, viermal, fünfmal, so lange, bis der Name fremd klang. Mayla kämmte sein Haar mit den Fingern und bat ihn, in die Kammer zu gehen.
    »Warum?«
    »Du mußt schlafen.«
    »Das ist nicht der Grund.«
    Sie kam auf ihn zu. »Damit du nicht siehst, wie deine Geliebte in einen Baum steigt.« Er zog sie an sich und küßte ihr Ohr, berührte sie wie zum Abschied und blieb. Eine Weile – beide überschätzten die Zeit – standen sie aneinandergelehnt. Ein kleiner, an sich bedeutungsloser Umstand rundete dann ihre erste Nacht ab. Ihm fiel wieder ein, was auf englisch verschieben heißt, und er holte sein Versprechen nach, sie beim nächsten Mal auch auf die Unterlippe zu küssen, auf ihren ganzen Mund, so wie es sein sollte.

I nfantas schäbiges Kleid wurde mit jedem Tag dicker. Über den verblaßten Plakaten klebten längst neue; nur das Aufflackern des Bürgerkriegs bremste die Helfer der Kandidaten. An dem Sonntag, an dem McEllis seine monatliche Messe lesen sollte, war das Büro der Regierungspartei unbesetzt. Büroleiter Narciso hatte als Polizeichef seit dem Morgengrauen Alarmbereitschaft. Die Order war aus dem nahen Infanterie-Camp gekommen, ohne Erklärung.
    Der Hauptmann kämpfte gegen die Müdigkeit. Er saß auf der Veranda seiner Dienstbaracke, trank Kaffee, hörte Radio und vermißte die Gesellschaft eines Menschen. Das Radio war auf Die Stimme Amerikas eingestellt. Eigenen Kanälen mißtraute er. Irgend etwas hatte sich ereignet, er war gerüstet. In Reichweite lagen ein Fernrohr und ein Funkgerät; und griffbereit und durchgeladen stand ein Gewehr an einen Stuhl gelehnt und bildete mit seinem Schatten eine Sonnenuhr. Es war kurz vor vier, heiß und still. Narciso haßte den siebten Tag der Woche. Hatte er dann auch noch frei, war er verzweifelt. Seine Welt war der Dienst, sein Zuhause die Baracke. Seit neuestem teilte er das Polizeibüro mit dem Wahlbüro der Regierungspartei. Die Linie der Neutralität, von der er gern sprach, führte bis auf die Veranda. Dort konnte er stundenlang sitzen und zur Hauptstraße schauen. Homobono Narciso, wie er mit vollem Namen hieß, war ein großer Beobachter.
    Ein Hilfspolizist brachte ihm etwas zu essen, vier angebrütete Enteneier, zwei davon schälte er. Ballut – eigentlich ein Armengericht, das in staubige Busse gereicht wurde; er mochte es nicht immer. Aber gerade an Sonntagen hatte er oft einen unerklärlichen Appetit auf diese schon fortgeschrittenen Eier und verzehrte sie mit ein, zwei Bissen samt Federchen und Füßchen. Nach der Zwischenmahlzeit döste er. Ein Rauschen aus dem Funkgerät bewahrte ihn vor dem Einschlafen. Narciso wartete auf Meldungen von Romulus, der sich bei der Kirche aufhielt, um auf Besonderheiten vor und während der Fünfuhrmesse zu achten. Wäre etwas durchgesickert über den Grund des Alarms, dann würde es McEllis verbreiten. Romulus meldete von Zeit zu Zeit, alles sei ruhig, und der Polizeichef antwortete mit einem müden Das täuscht . Er schätzte den Sergeant, wie er seinen Friseur schätzte, und ließ sich durch dessen Boxergeschichten zerstreuen. Dabei blieb es. Narciso orientierte sich nie nach unten. Stickige Männerfreundschaften lehnte er ab. Er verkehrte mit Lokalgrößen wie dem Poststellenleiter oder dem gefragtesten Fotografen Infantas, und das in Doña Elviras Garderobe. Die Fanfare der Stimme Amerikas ertönte, er drehte den Ton etwas

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