Infanta (German Edition)
lauter. Nach den Sportergebnissen aus den Vereinigten Staaten und einigen Nachrichten aus der übrigen Welt brachte der Sender noch eine Kurzmeldung. Auf der Großen Südinsel seien Maschinen mit Sondereinheiten gelandet als Reaktion auf eine Entführung, wie es in Militärkreisen heiße.
Der Polizeichef lächelte zum ersten Mal an diesem Sonntag. Er hatte mit einer Entführung gerechnet. Allerdings später im Monat. Ja, er glaubte sogar zu wissen, wer entführt worden war. Sein Blick ging zur Hauptstraße. Kleine Gruppen waren schon auf dem Weg zur Messe. Sicher weniger, um das Wort Gottes zu hören, als Worte von McEllis; seit langem beschäftigte ihn die Attraktivität dieses Mannes. Bestand sie vielleicht nur in seinen verdammt blauen Augen? Der Gedanke war tröstlich. Oder war es McEllis’ Güte, die alle Leute beeindruckte? Auch damit könnte man leben. Oder war es womöglich Gott selbst, der sich durch seinen Diener hindurch bemerkbar machte? Hierzulande mußte man mit allem rechnen. Oder aber war es ganz einfach das Wissen des Priesters, sein Vorsprung an Kenntnissen? Dieser Gedanke quälte Narciso.
All sein Büffeln hatte nie zu einem gründlichen Wissen geführt, nur zu Methoden, sich gewisse Informationen zu sichern. Und nicht immer waren diese Methoden erfolgreich. Von der Rückkehr Gregorios wußte er zum Beispiel nur, daß sie bevorstand. Aber wer wußte das nicht. Die Folgen waren kaum auszudenken: Jeder unbehinderte Triumphzug des heimkehrenden Priesters bedeutete ein polizeiliches Debakel. Narciso erhob sich. Unter den Kirchgängern war einer, der alle anderen überragte. Er holte seinen Handlautsprecher und trat an die Verandabrüstung.
»Mister Lukas!«
Vögel schossen aus den Bäumen, Leute blieben stehen. »Ich möchte mit Ihnen reden!«
Kurt Lukas überquerte ohne Eile die Straße, betrat das Polizeigelände und ging auf die Veranda zu. (Seit Tagen hatte er mit dem Schlimmsten gerechnet, promptem Hinauswurf, eisigem Schweigen, bittersten Vorwürfen, aber die Alten waren unverändert freundlich bei Tisch. Mit den Worten Das wird Sie interessieren, Mister Kurt hatte ihn McEllis zur Messe eingeladen.) Er schien fast erleichtert, daß sein Name nun doch noch mit solcher Lautstärke gefallen war. »Habe ich etwas getan?«
»Nein.«
Narciso begriff in diesem Moment, daß er keinerlei Handhabe gegen den Gast der Priester besaß. »Was macht die Station, wie geht es den Fathers?«
»Gut. Soweit ich das beurteilen kann.«
»Sie warten alle auf Gregorio, nicht wahr?«
»Ich weiß nicht, worauf sie warten.«
Kurt Lukas machte ein paar Schritte.
»Wissen Sie, daß Sie in meinem Privatbereich umherspazieren«, sagte Narciso.
»Ist das kein Dienstgebäude?«
»Hören Sie, Mister Kurtz oder Kurt oder wie die Alten Sie zu nennen pflegen, im Augenblick befinden Sie sich im örtlichen Hauptquartier der Regierungspartei. Oder haben Sie das Schild auf dem Dach übersehen? Das Hauptquartier betreibe ich als Privatmann. Sehen Sie nicht die Linie der Neutralität? Sie verläuft genau vor Ihren Füßen; möchten Sie einen Kaffee vor der Messe? Ich habe ihn selbst zubereitet. Aus amerikanischem Pulver.«
»Woher wissen Sie, daß ich in die Messe will?«
»Um diese Zeit geht man zum Hahnenkampf oder zur Messe. Die Hahnenkampfarena liegt entgegen der Richtung, in die ich Sie laufen sah. Also wollen Sie zur Messe. Was ich verstehen kann. McEllis ist ein Prediger.« Er holte eine zweite Tasse, reichte sie und schenkte ein. »Was haben Sie mit Ihrer Hand gemacht?«
»Die Hündin, Captain.« (Auf Fragen der Priester hatte er von einer Tür gesprochen.)
»So, so, die Hündin. Ist sie gefährlich?«
»Sie ist nicht gefährlich, sie beißt nur.«
Narciso setzte sich. So sah ein Biß aus Liebe aus. Der Biß einer Frau. Mayla war also erobert; mit der Willenskraft aller Aufsteiger dachte er an etwas anderes. »Werden Sie auch beten in der Messe, woran glauben Sie? An das Jesuskind? An die schmerzensreiche Maria? Den Heiligen Geist? An die Auferstehung? Oder einfach ans Geld?«
»Ich glaube an Musik«, sagte Kurt Lukas.
»Ich habe immer an Amerika geglaubt. Es sieht aus, als habe Ihr Land das Interesse an uns verloren. Washington würde eine Revolution begrüßen, nicht wahr? Und die Fernsehgesellschaften noch mehr.«
»Ich bin kein Amerikaner. Und kein Journalist.«
»Es ist nicht wichtig, was in Ihrem Paß steht. Sie sind Amerikaner, Sie gehören dieser Welt an. Es gibt ja nur drei Welten. Die
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