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Infanta (German Edition)

Infanta (German Edition)

Titel: Infanta (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Bodo Kirchhoff
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amerikanische. Die kommunistische. Und die Armut.« Der Hauptmann legte das Fernrohr auf die Brüstung und drehte das Radio wieder lauter. Der Sender brachte eine weitere Kurzmeldung, erste Einzelheiten zu der Entführung. Am gestrigen Nachmittag waren der Bischof Pio De Castro und seine Sekretärin verschleppt worden; Goldsucher hatten De Castros Jeep gegen Abend mit zerschossenen Reifen in einem Waldstück gefunden. »Ich habe natürlich sofort Maßnahmen getroffen«, sagte Narciso, um den Eindruck zu vermeiden, er empfange seine Informationen aus dem Radio.
    »Wird man den Bischof töten?« fragte Kurt Lukas.
    »Vermutlich nicht.« Der Polizeichef schaute nachdenklich auf eine Karte der Insel, die im Eingang zu seinem Dienstzimmer hing, neben einem Plakat, das verschiedene Methoden zur Wiederbelebung Ohnmächtiger in kleinen bunten Bildern festhielt. »Es hängt allein von der Kirche ab. Zahlt sie Lösegeld, kommt er frei, zahlt sie nicht, werden die Entführer zuerst seiner Sekretärin die Kehle durchschneiden; ein rascherer Tod, als man denkt.«
    »Wer sind die Entführer?«
    »Rebellen. Gesetzlose. Und das wissen Sie als Journalist sehr genau. Es sei denn, Sie schreiben für ein marxistisches Blatt. Aber so sehen Sie nicht aus.«
    »Ich bin kein Journalist, glauben Sie mir.«
    »Vielleicht schreiben Sie für den Vatikan oder schauen sich nur um hier; Sie werden es mir irgendwann erzählen. Denn ich gehe davon aus, daß Sie bleiben. Schließlich haben Sie auch einen privaten Grund. Oder können Sie eine junge und schöne Frau einfach wieder vergessen? Ich hätte es nicht leicht an Ihrer Stelle.«
    »Mayla hat es auch nicht leicht, Sie zu vergessen. Nach einem Schlag auf den Mund.«
    Narciso griff nach den zwei übrigen Eiern. »Ich bin Offizier. Ich habe auf eine Beleidigung reagiert. Und mich entschuldigt.« Er trat an die Brüstung und legte die Eier neben das Fernrohr. »Sie wissen zu wenig. Es wundert mich, daß Mayla Ihnen von diesem Mißverständnis erzählt hat.«
    »Mayla? Mir? Kein Wort.«
    »Das heißt, Sie haben sich umgehört. Was ist Ihr Thema, fremde Sitten? Infanta? Affären?« Narciso lächelte plötzlich. »Möchten Sie vielleicht ein hartes Ei?«
    Kurt Lukas bediente sich.
    Der Polizeichef nahm das Fernrohr und sah auf die Straße. Aus den kleinen Gruppen war ein Strom von Kirchgängern geworden. »Mayla wird heute auch in der Messe sein«, sagte er. »Sie hilft McEllis immer beim Umkleiden. Sie macht das äußerst liebevoll und wird es später sicher auch mit Ihnen so machen. Wenn Sie mit ihr erst zusammenleben. Ich denke, nach Gregorios Rückkehr; vorher dürften Sie kaum den Segen der Alten bekommen. Also sollten Sie, da Sie ja ein gutes Ohr haben, vor allem ein Ohr dafür haben, was man sich auf der Station über diese Rückkehr erzählt. Wann sie erfolgt, wie sie erfolgt. Und mich unterrichten. Damit Ihre Verbindung mit Mayla auch meinen Segen erhält.«
    Kurt Lukas schwieg und führte das geschälte Ei zum Mund. Es war angegrünt wie alle ordentlichen harten Eier, und er biß herzhaft hinein, mitten in die Federchen und Füßchen, und zum zweiten Mal innerhalb kurzer Zeit drehte sich ihm der Magen um.
    Narciso klopfte ihm besorgt auf den Rücken, versicherte, die Schweinerei auf der Veranda sei kein Problem, für so etwas gebe es Personal, bot ihm sein Polizeiwaschbecken an, sagte noch, Ballut sei nicht jedermanns Sache, und riet ihm, sich zu eilen, damit er einen Sitzplatz in der Messe bekomme. Dann gab er Kurt Lukas die Hand und schaute ihm noch lange nach, zuletzt mit dem Fernrohr. Er war zuversichtlich. Einem kotzenden Mann beizustehen war ein guter Anfang für eine Verbindung, wie er sie sich dachte. Schon bald würde er alles über Gregorios Rückkehr erfahren, früher als der Kommandant, früher als der Geheimdienst, ja, früher als der Ex-Gouverneur. Narciso warf einen Blick auf den Gewehrschatten. In wenigen Minuten fing die Messe an. Er legte sein Fernrohr aus der Hand und schälte das vierte Ei.
    Das ganze Kirchenschiff war in diesen Minuten von erregtem Geflüster erfüllt. Viele beteten leise oder hielten sich kleine Radios ans Ohr, andere hielten Bilder des Bischofs in die Höhe. McEllis kleidete sich um. Er tat das öffentlich, und doch war es eine Verwandlung. Mayla half ihm in die Soutane. Wie immer glättete sie den Stoff über seinen Schultern, wie immer sammelte sie verlorene Härchen ab, nur daß sie dabei nicht mehr den Atem anhielt, wie sie es früher getan hatte.

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