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Infanta (German Edition)

Infanta (German Edition)

Titel: Infanta (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Bodo Kirchhoff
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mich! Und diese besondere Liebe, mein Sohn, die lasse in Frieden. Du solltest nicht einmal nachdenken über sie. Denke statt dessen über die Liebe nach. Und liebe zuerst die Liebe und anschließend Mayla, oder sei ein Heiliger. Denn nur die Heiligen brauchen die Liebe nicht zu lieben. Bist du ein Heiliger? Antworte! Ich sehe, du starrst nur herüber. Dann halte dich an diese Reihenfolge. Und noch eine Bitte: Komm am Sonntag zum Hahnenkampf, es wird dort mein letzter Einsatz sein; eine nützliche Tätigkeit, ihren Anblick möchte ich dir nicht ersparen« – und damit wandte er sich wieder an die Menschen.
    Wilhelm Gussmann hob eine Hand und rief den Kosenamen der Tapferen Witwe, und im selben Augenblick knallte es dumpf. Funkensprühend zischte etwas steil zum Himmel, zerplatzte mit trockenem Ton, und im nächsten Moment war die ganze Umgebung – der Weg, die Hütten, die Menschen, der Wald – in ein schneeiges Licht getaucht. Tiefe Stille verbreitete sich. Nur ein kleiner Chor war zu hören, der Die Heiligen seien uns gnädig flüsterte.

A m Morgen nach Augustins Auftritt bei Doña Elvira kam es im Garten der Station zu folgender Unterhaltung:
    »Und wer ist Caroline?«
    »So heißt ein Lied, Father Horgan, Süße Caroline.«
    »Ein schöner Titel«
    »Ich sing ihn sehr gern.«
    »Das hat man gehört.«
    »Bin ich zu laut?«
    »Du bist zu begabt.«
    Der alte Priester flüsterte in die Luft. Sein Hinterkopf lag pendelnd auf der Nackenlehne; Augustin schob den Rollstuhl zum Pavillon. Horgan hatte sich auf der Veranda in jüngster Zeit beobachtet gefühlt. Ein Ausflug konnte nicht schaden, und er mochte den Platz am Rande des Gartens. Da summten ringsherum wilde Bienen, und Goldkäfer funkelten zwischen den Gräsern. Wandelröschen und Türkenkappe verströmten ihre Gerüche, und kaum spürbarer Wind brachte den Duft feuchter Erde von den begossenen Beeten. Nachdem er all das aufgenommen hatte, interessierte er sich für den gestrigen Abend. Wie das denn sei, in der Bude zu singen, bewegend? Und die Besitzerin, in welcher Form sie auftrete, spärlich bekleidet? Ach, und dem Vernehmen nach habe es gestern auch einen Auftritt von Wilhelm Gussmann gegeben, vor dessen Laden; peinlich? Im Zusammenhang damit höre man von einer Rakete. Horgan bat um Details. Ein Stichwort zum Thema Gesang fiele noch früh genug – auf Drängen der übrigen hatte er sich bereit erklärt, dem Novizen das concilium abeundi mitzuteilen.
    »Es war eine Leuchtrakete«, erzählte Augustin und deutete die Flugbahn an. »Kaum hatte sie ihre Höhe erreicht, explodierte sie, und es wurde taghell. Totenstille breitete sich aus. Mister Gussmann und die Menschenmenge standen da wie geblendetes Wild. Und während der kleine Fallschirm mit dem großen Licht langsam sank und Transparente mit dem Namen von Father Gregorio weiß angestrahlt waren, warfen sich plötzlich Männer in Uniform gegen die Menge, Polizisten unter dem Befehl von Captain Narciso, rissen die Leute auseinander, schlugen sich Gassen bis zu den Spruchbändern, zersplitterten die Tragestöcke, packten und zerknüllten die Tücher und stürmten zu der Weggabel hinter dem Heftchenladen; dort schmissen sie die Spruchbänder auf einen Haufen und steckten ihn an. Kaum war das Licht unter dem Fallschirm erloschen, gingen alle Transparente in Flammen auf und loderten in die Nacht, während es nach Dieselöl und Magnesium roch. Dann sprang der Wind auf einmal um, Funken und glühende Fetzen flogen, und Mister Kurt und ich wichen hinter eine Hütte zurück, von wo aus wir noch alles sahen, doch selbst nicht mehr gesehen wurden. Wir sahen, wie ein Scheinwerfer Mister Gussmann erfaßte, sahen die zu allem entschlossenen Menschen und einen Wagen, der von der Hauptstraße kam, und bei Gott, ich schwöre es, die Fledermaus-Ouvertüre erklang; ein Offizier stieg aus, der Kommandant, flüsterten die Leute. Er winkte den Polizeichef heran, befahl ihm, bequem zu stehen, und gewissermaßen im Schutze dieser öffentlichen Machtprobe löste sich aus dem Zug eine schmale Gestalt, schwarze Hose, gelbes Hemd, Zigarette, niemand anderes als Mayla, die zu Gussmann lief, ihm von dem Rednerschemel half, während der Kommandant in leisen, aber scharfen Worten mit Narciso sprach, ihn kaum ansah dabei, nur müde in die Flammen schaute und . . .«
    »Mach einen Punkt«, sagte Horgan.
    Augustin holte tief Luft, und schon sprach er weiter. Die Augen fest geschlossen, die Hände in Kopfhöhe, als wolle er seine

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