Infanta (German Edition)
vom Hörensagen kannte; es war da und war ungut und schuf sich ein Nest. Er blieb stehen. Scheinwerfer blendeten ihn, die Fledermaus-Ouvertüre ertönte, ein Wagen kam und hielt. Der Kommandant.
»Steigen Sie ein, das ist keine Nacht für Spaziergänge.« Oberst Almandras öffnete die Tür, und Kurt Lukas stieg in den Wagen. Zu dem wenigen, das er fürchte, zählten diese windlosen Nächte, sagte der Kommandant und fuhr weiter. »Sie bringen jedesmal einem meiner Männer den Tod. Die Rebellen behalten in diesen Nächten den kühleren Kopf. Sie haben Frauen bei sich.« Er fuhr im Schritt. Immer wieder schloß er für Sekunden die Augen; ohne Übergang kam er auf Doña Elvira. Die Sängerin hatte ein Angebot von Arturo Pacificador erhalten, nach der Wahl in seinem Nachtclub aufzutreten. »Der Mabini Palast ist natürlich nicht die Carnegie Hall«, sagte der Kommandant, »aber schließlich hat sie das Singen ja in einem Bordell gelernt.« Er machte die Scheinwerfer aus und erzählte von seinem jüngsten Besuch im Mabini Palast anläßlich eines Treffens von Stabsoffizieren in der Hauptstadt. »Man kann sich völlig vergessen in diesem Club«, sagte er und kam dann, wieder sprunghaft, auf das Treffen zu sprechen. Es hatte erst vor zwei Tagen im bekannten Luneta Hotel stattgefunden unter der Leitung des ehemaligen Präsidentenchauffeurs; der Kommandant erwähnte diesen Umstand nur. Er fuhr plötzlich schneller; am Rande eines Maisfelds hielt er. »Ich gebe Ihnen jetzt einen Rat«, sagte er. »Verlassen Sie die Insel, solange das möglich ist. In der Hauptstadt sind Sie besser aufgehoben. Sie stoßen in jeder Hotelhalle auf Journalisten.«
»Ich bin kein Journalist« – Kurt Lukas war diesen Satz schon leid –, »ich weiß nicht, was Sie von mir wollen.«
»Ich will Ihnen etwas erzählen.« Und der Kommandant erzählte von einem Essen für die Auslandspresse, an dem er teilgenommen hatte. »Natürlich auch im Luneta Hotel«, sagte er. »Mit mir am Tisch saß eine Frau und schaute in das letzte Newsweek-Heft. Aber sie las keinen Artikel. Sie betrachtete das Foto von Ihnen. Sie zeichnete sogar darauf herum.« Er gab eine Personenbeschreibung und wendete.
»Ihre Geliebte?«
»Nein, eine Bekannte. Aus Rom. Früher schrieb sie über Männer. Dann über Frauen. Heute über alles.«
»Aber offenbar eine gute Bekannte. Als sie von mir etwas über Stimmenkauf mit Falschgeld auf der Südinsel hören wollte, sagte ich, Madam, fliegen Sie doch am besten einmal hin wie ihr Kollege auf dieser Anzeige, ich kenne Mister Lukas, er ist im Moment genau da, wo die Antworten liegen; ziemlich verwegen. Worauf sie mich nur Tränen lachend ansah und schließlich bat, Ihnen von dieser Begegnung mit ihr zu erzählen. Keine Fragen, keine Grüße, kein Name, nur diese Bitte; Ihre Frau?«
»Nein. Sie heißt Ruggeri.«
Der Kommandant hielt vor dem Pfad, der zur Station führte. Er schloß die Augen und riet erneut zum Verlassen der Insel, bevor er einen dritten Gedankensprung machte. »Und nehmen Sie das Mädchen mit, von dem es heißt, Sie seien ihr Freund«, sagte er; »zeugen Sie ein Kind mit ihr. Dann überlebt Sie jemand, den Sie lieben.«
»Warum dieser Rat?«
»Weil ich in Ihrem Alter bin und kein Kind habe. Und ein Letztes: Sie sind blutbefleckt, wußten Sie das?«
»Von Gussmanns Hähnen, ich bin ihm etwas zu nahe gekommen.« Kurt Lukas drückte dem Kommandanten lange die Hand und stieg aus. Er sah dem Wagen nach; mit dem Verschwinden der Lichter wurde es dunkel. Nicht einmal die Baumkronen erkannte er, nicht einmal den Pfad. Doch er empfand keine Angst. Dunkler konnte es nicht werden. Einen Finger am Puls, machte er sich auf den Weg.
B utterworth fuhr im ersten Gang. Das Verdeck war offen, die Frontscheibe heruntergeklappt, offener ging es nicht. Er trug seinen weißen Sonnenhut, das Kinnbändchen kreuzte die Brillenbefestigung. Wie immer grüßte er nach allen Seiten und hielt unmittelbar vor den Läden. Die Inhaber eilten nach draußen, Butterworth reichte ihnen vom Jeep aus kleine Bestellzettel, auch wenn es sich nur um einen Posten handelte, und während er auf Haushaltskerzen oder eine Dose Rasierschaum wartete, sammelten sich Menschen. Kinder stiegen zu, drückten die Hupe oder zupften an seinem Hut. Burschen baten um einen Blick auf den Motor oder polierten die Felgen. Säuglinge wurden gereicht, Lieder angestimmt, Neuigkeiten und Sorgen erzählt. Father hier, Father dort. Sein Bad in der Menge.
An diesem Tag saß der
Weitere Kostenlose Bücher