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Infanta (German Edition)

Infanta (German Edition)

Titel: Infanta (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Bodo Kirchhoff
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bleiche Priester allerdings nicht allein im Jeep. Neben ihm saß der bekannte Mister Kurt und zog fast alle Blicke auf sich. So schätzte es Butterworth später in seinem Schreiben an Gregorio ein, das immer umfangreicher wurde. Jede Nacht wollte er den Brief endlich abschließen, doch schon stand wieder ein Ereignis bevor, das ihm interessanter als alle vorangegangenen erschien. Etwa der heutige Tag; vom kommenden, dem Wahltag, gar nicht zu reden. Butterworth war unterwegs, um für das Abschiedsessen einzukaufen. Ab drei Uhr wollten sie gemeinsam kochen, um sieben erwarteten sie ihren Ehrengast. Bereits am anderen Morgen sollte Mayla dem Bischof zur Seite stehen, wenn in seinem Amtssitz erste Wahlzwischenfälle gemeldet würden. Maylas Entscheidung stand nun schon eine Woche lang fest, und trotzdem waren die Alten von der Tatsache des letzten Tages mit ihr überrascht worden. Noch beim Frühstück hatten sie sich über das Menü gestritten, ja, das ganze Vorhaben in Frage gestellt, bis Kurt Lukas an den deutschen Muttertagsbrauch erinnerte, der Hausfrau einmal im Jahr alle Küchenmühen abzunehmen. Danach waren sie sich einig geworden, üppig, aber nicht raffiniert zu kochen und für den Fall des Mißlingens ganz auf das Abschiedsgeschenk zu setzen. Nach der Rede von Butterworth – einer Rede, die Pacquin in Auftrag gegeben hatte, »fünfzehn Minuten und nicht länger« – würde McEllis Mayla ein Armband aus Korallen anlegen; er hatte es selbst ausgesucht, und jeder fand es schön und griff dafür auf seine kleine Dollar-reserve zurück.
    Üppig, aber nicht raffiniert, was könnte das sein? Dalla Rosa hatte sich zögernd für Spaghetti ausgesprochen, angeboten, einen Sugo vorzubereiten – auf der Basis von Basilikum –, hinzugefügt, er garantiere für nichts, denn alles komme auf die Nudeln an, und zuletzt habe er das Gericht als Kind abgeschmeckt, al pesto. Noch unter dem Eindruck dieser appetitlich klingenden Worte war dann auf einmal der Vorschlag Gans gemacht worden, und so waren Kurt Lukas und der Priester unterwegs, um eine Gans zu besorgen. Butterworth lenkte den Jeep in die Gegend der Wohlhabenderen, weil auch die Tiere dort weniger mager waren. Er fuhr immer noch im ersten Gang, übersah jedoch die Hände, die ihm Vorbeigehende zustreckten. Er dachte über seine Ansprache nach. Wäre das nicht eine Gelegenheit, das Butterworth-Papier zu zitieren? Die Weitsicht dieses Papiers hervorzuheben, in dem er ja lange vor dem Erscheinen der Anzeige das Gesicht von Mister Kurt mit dem eines minderen Schauspielers verglichen hatte? Oder wäre es überheblich, Mayla vor einem Mann zu warnen, dem höchstens anzulasten war, daß er seinen Beruf verschwiegen hatte? Und wer konnte wissen, ob er nicht schon wieder etwas verschwieg und sich am Ende doch noch als ein Schriftsteller entpuppte. Zurückhaltung war geboten. Auch etwas Nonchalance. Nein, es sollte keine mahnende Ansprache werden. Ein feiner heiterer Ton wäre das Richtige. Und angemessener Dank. Dank für die unzähligen Gerichte, denen niemand das knappe Budget angemerkt hatte. Dank für ihre tagtägliche Arbeit, angefangen mit dem pünktlichen Einstellen der liliputanischen Weckmusik, endend mit dem behutsamen Schließen der Durchreiche nach dem Abendbrot. Butterworth wußte jetzt genau, wie seine Ansprache auszufallen hätte, und spürte doch, daß es ihm unmöglich wäre, bei dem Dankesthema zu bleiben. Er versuchte sich abzulenken. »Haben Sie schon einmal eine Gans gehalten?« fragte er.
    »Eine Gans?«
    »Ja, Mister Kurt, eine lebende Gans.«
    »Nein.«
    »Aber Sie haben schon ein Buch geschrieben . . .«
    »Ein Buch? Ich? Wieso?«
    »Man erzählt es sich, wie Sie vielleicht wissen. Und es heißt sogar, Sie schrieben an einem Liebesroman. Ich frage Sie, was ist das überhaupt, ein Liebesroman?«
    »Schwer zu sagen, Father.«
    »Nicht wahr – zärtlich streichelte er ihre kleinen Hände, das kann es nicht sein. Das kann jeder Idiot schreiben. Zärtlich taten sie dies, zärtlich taten sie das. Und er sah sie lächeln und strich ihr zärtlich ein einzelnes Haar aus der Stirn. Schwachsinn; teilen Sie diese Auffassung, Mister Kurt?«
    »Ich teile sie.«
    »Ein Liebesroman, meine ich, müßte dort fortfahren, wo andere zu denken aufhören, übrigens nur an ein oder zwei Stellen des Buchs, das würde mir reichen. Und die Liebesgeschichte müßte unserer Gegenwart abgetrotzt sein, nicht in irgendeiner Vergangenheit spielen. Teilen Sie diese

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