Infanta (German Edition)
Mister Kurt« – er tupfte sich die Nase ab –, »seit ich Priester bin und mir über den Rest der Menschheit Gedanken mache, unter anderem über das Begehren zwischen den Geschlechtern, – denkt man während der Liebe eigentlich an die Geliebte?«
»Was soll ich dazu sagen; kaum. Man denkt sogar eher an etwas anderes.«
»Zum Beispiel?«
»An eine andere Frau.«
Butterworth zog sein Mundstück hervor und kaute daran.
»Aber finden Sie es nicht unlogisch, an eine andere Frau zu denken, wenn Sie diese, nennen wir es doch unaufhaltsamen Dinge gerade mit der Frau erleben, die Sie zu lieben meinen. Es wäre doch logischer, an sie zu denken.«
»Logischer schon«, erwiderte Kurt Lukas, »aber nicht so wirkungsvoll.«
Butterworth nickte. Obwohl er als einziger der fünf die Erfahrung mit einer Frau ausgeschlagen hatte, glaubte er zu verstehen. Natürlich war der Widersacher mit seinen Ideen gerade in diesem Bereich zu Hause.
Beide schwiegen eine Weile; längst war der Jeep von Kindern umlagert, die flüsternd auf der Erde saßen. »Weshalb stellen Sie mir solche Fragen, Father?«
»Ich stelle Ihnen solche Fragen, weil ich es schwer habe mit Ihnen. Ich muß Sie besser kennenlernen« – Butterworth hätte fast sein Papier erwähnt, aber Kurt Lukas wollte wissen, warum er es schwer mit ihm habe.
»Weil Sie mit Ihrem Aussehen das Untröstliche in mir berühren, Mister Kurt, eine gewisse Ungerechtigkeit innerhalb der Schöpfung« – ein Lächeln glitt über sein bleiches Gesicht –, »und da beruhigt es einen zu sehen, welche Probleme Ihnen doch eine lebende Gans bereitet.« Das Tier war zutraulich geworden. Es ließ sich jetzt überall anfassen und rieb seinen Hals an Kurt Lukas’ Schulter. »Bald sind Sie erlöst«, sagte Butterworth; die Ausgeschwärmten kehrten zurück.
Sie erzählten von ihren Anstrengungen. Alles Gute werde aufgekauft, seit man im Ort höre, daß auf Wochen die Flüge von der Insel ausgebucht seien. Und stolz überreichte der eine die gewünschten Nudeln, Spaghetti aus Taiwan, von Jesus Fidelio mit Grüßen an Mister Kurt, er würde ihn gern noch einmal mit Beatrice verbinden. Der andere präsentierte zwei zierliche Rotweinflaschen, Lambrusco amabile. Der Friseur Cooper-Gomez habe sie verkauft, mit Empfehlungen an den Schriftsteller: sein Salon stehe ihm offen.
Butterworth bedankte sich bei den Männern, bezahlte die Nudeln und den Wein, segnete ihre herbeigeeilten Frauen und ließ den Motor an. Ein Ruck ging durch den Jeep, die Gans geriet in Panik, sie schlug mit den Flügeln, Federn flogen, Kurt Lukas schrie, laut und weibisch. »Ruhig, Mister Kurt, ruhig«, sagte Butterworth, »wir werden beobachtet.« Er grüßte nach allen Seiten, legte den zweiten Gang ein und drückte das Gaspedal durch, und die Gans fiel in eine Art Stupor. »Sie scheinen ja nicht nur etwas schrill zu telefonieren, wie man erfahren kann. Und mit einer Beatrice; Sie wissen, daß es auch bei Dante eine Beatrice gibt.«
»Sie ist meine Agentin, Father. In Mailand.«
»Und Sie besprachen Ihre Rückkehr am Telefon?«
»Meine Rückkehr? Wie denn, schwimmend?«
»Solche Zustände sind selten von langer Dauer; der Flugverkehr wird sich wieder einspielen, und Sie können zu Ihrer Signora Beatrice zurückkehren. Eine Schönheit?«
»Das Gegenteil, Father.«
»Intelligent?«
»Sehr.«
»Also auch eine Lehrerin.«
»Durchaus.«
»Und was lernten Sie?«
»Jung zu sein.«
»Großartig. Wenn diese Wirren hier vorbei sind, in ein bis zwei Monaten, werden Sie gelernt haben, alt zu sein. Dann beherrschen Sie beides. Und nun muß ich ans Kochen denken, Mister Kurt.«
»Das Abschiedsessen«, schrieb Butterworth zwölf Stunden später – noch unter dem Eindruck eines Eklats – in seinem Brief an Gregorio, »war auf sieben Uhr festgesetzt worden, damit genug Zeit für die Küchenarbeiten bliebe. Die Frage, wer die Gans töten sollte, hatten wir bis zum Nachmittag vor uns hergeschoben. Mayla entfiel, sie war aus Anlaß der Einladung beim Friseur. Mister Kurt wollte unsere Gans überhaupt erst zubereitet und ohne Kopf wiedersehen. McEllis gab vor, Rheumatismus zu haben, Dalla Rosa erklärte, er müsse sich auf das Rezept besinnen; schließlich bat ich einen Nachbarn. Nachdem das Geschöpf gerupft und ausgenommen war, betraten wir zögernd die Küche, keine leichte Überschreitung, wie Du dir denken kannst. Überall gab es noch Spuren von Mayla, hier ein Aschenbecher, dort ein Kalenderblatt. Dalla Rosa wusch dann unsere
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