Infantizid
Arndt aufgenommen. Seitdem jagten die Piloten ihre Maschine mit durchschnittlich 260 Kilometern pro Stunde in Richtung des polnischen Gehöfts. Die Flugzeit wurde mit ungefähr vier Stunden und 20 Minuten berechnet. Der polnische Flugsicherheitsdienst erwartete den Hubschrauber bereits, eine Ãberfluggenehmigung lag vor. Arndt sah auf die Uhr, jeden Moment mussten sie landen. Er hatte Zbigniew noch in der Nacht angerufen und sein Kommen angekündigt. Der Riese hatte lauthals gelacht. »Du kommst mit einem Hubschrauber des Grenzschutzes? Du bist ein Verrückter.«
Hauptkommissar Bräunig und Oberkommissar Hubaczek waren, wie verabredet, pünktlich in der Nacht nach Berlin losgefahren. Aufgrund des geringen Verkehrsaufkommens trafen sie bereits nach etwas über zwei Stunden vor dem Willy-Brandt-Haus in Berlin-Kreuzberg ein und nutzten die Gelegenheit, noch ein wenig im Auto zu schlafen. Als gegen halb sieben Bewegung hinter der Glasfassade des Gebäudes zu erkennen war, gingen sie hinein und tranken Kaffee. Seitdem warteten sie hier.
Bräunig erkannte den Mann, der gerade auf sie zukam, sofort wieder. Es war der Sicherheitschef des Innenministers. Beide waren sich im Weimarer âºHiltonâ¹ diese Woche schon einmal begegnet.
»So schnell sieht man sich wieder«, sagte er, nachdem er beide begrüÃt hatte. »Meine Leute beobachten gerade, wie ich mit Ihnen spreche. Wenn Sie also in fünf Minuten den Fahrstuhl benutzen, wird Sie niemand aufhalten. Der Minister wollte, dass wir nicht lange zusammen gesehen werden. Sie fahren bis in den dritten Stock. Der Kollege dort zeigt Ihnen dann das Büro des Kanzlers. Schönen Tag noch.« Damit verabschiedete sich der Sicherheitsbeamte wieder. Bräunig und Hubaczek tranken in Ruhe ihre mittlerweile vierte Tasse Kaffee aus und begaben sich zum Fahrstuhl.
Bundeskanzler Schreiber sah dann doch keine Veranlassung, bei seinen Vorstandsmitgliedern einen Grund anzugeben, warum er die nächsten Stunden nicht anwesend sein würde. Er verzichtete lieber auf die vielen Fragen, die unweigerlich auf ihn zukommen würden. Kaum dass er den Konferenzsaal verlassen hatte, begannen grüppchenweise die Tuscheleien. Er wusste das, aber es war ihm egal. Das übliche Getratsche, genau wie im Bundeskanzleramt. Man gewöhnte sich daran.
Bundeskanzler Schreiber, Innenminister Schilling, Hauptkommissar Bräunig und Oberkommissar Hubaczek saÃen zusammen und hörten sich die Aufnahme der Befragung von Arndt bereits zum zweiten Mal an.
Seltsam, dachte Hubaczek, im Prinzip ist der Kanzler auch nur ein ganz normaler Mensch, auÃer dem Aspekt, dass er sehr viel mehr Verantwortung trägt. Zur BegrüÃung haben wir uns die Hand gegeben, als wären wir uns nicht das erste Mal begegnet. Er hat sich nicht lange aufgehalten und ist gleich zur Sache gekommen. So, wie man es von einem Kanzler erwartet. Er wurde durch den Innenminister aus seinen Gedanken gerissen.
»Herr Bräunig, was haben Sie letzte Nacht veranlasst?«
»Arndt hat sich bereit erklärt, den Hessen abzufangen und, wenn möglich, Matti Klatt zu warnen. Sollte ihm das gelingen, werden sie mit den Vorbereitungen beginnen, Teile des Lagers, nun, sagen wir, unschädlich zu machen. Meine Mitarbeiter ermitteln zurzeit die Halter der Fahrzeuge, die Klatt uns nannte. Damit haben wir Namen und Adressen der Mitglieder des mysteriösen Komitees. Wenn wir der Schlange den Kopf abschlagen, stehen unsere Chancen nicht schlecht, den Plan zu vereiteln. Weiterhin erstellen wir gerade eine vollständige Liste von Angehörigen der Schwarzen Division des Kommandos Thüringen, die Arndt genannt hat. Alles in allem so an die 350 Namen, inklusive der Toten bei dem Absturz. Meiner Meinung nach können wir die Festnahmen und andere Aktionen auf keinen Fall von Deutschen vornehmen lassen. Wir wissen nicht, wer alles in den Plan eingeweiht wurde. Vermutlich werden wir nie alle Namen erfahren.«
Der Bundeskanzler stimmte ihm zu. »Schon möglich. Die namentliche Erfassung aller involvierten Verschwörer wird die zweite Aufgabe sein. Jetzt brauchen wir Verbündete, die uns helfen. Uns sitzt die Zeit im Nacken. Wir wissen nicht, welches Datum der Tag X hat.«
Hubaczek räusperte sich und sagte etwas verhalten: »Ich denke, ein bisschen Zeit bleibt uns. Immerhin soll Matti Klatt auf ein extrem gefährliches Unternehmen vorbereitet werden. So etwas
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