Infantizid

voran und brachten bis jetzt nicht viel Neues. Die anderen Dienststellen teilten den Kriminalbeamten mit, dass keiner der Zeugen Arndt oder Jentzsch auf den Fotos erkannt hatte. In keinem der elf ungeklärten Fälle. Fischer schickte als letzten Versuch die Personenbeschreibung des Hessen inklusive Foto mit der Bitte um nochmalige Befragung an die Dienststellen zurück. Sicherheitshalber gab er auch alle Daten von dessen BMW mit. Es sollte ja auch Zufälle geben.
    Die zwei verunfallten Killer aus Matti Klatts Wohnung wurden für vernehmungsfähig erklärt. Sie schwiegen aber beharrlich. Es halfen keine Vorhaltungen, kein Brüllen oder Schreien und auch nicht das Spiel ›guter Bulle, böser Bulle‹. Fischer und Klimm kamen keinen Schritt voran. Diese beiden Angehörigen der Omicron AG waren mit allen Wassern gewaschen. Nach zwei Stunden vergeblichen Bemühens begaben sich Fischer und Klimm wieder zurück zu ihrer Polizeiinspektion. Im Laufe des Samstagnachmittags war auch der letzte Fahrzeughalter der 16 Kennzeichen ermittelt, die Matti Klatt telefonisch durchgegeben hatte. Es waren ohne Ausnahme auf Privatpersonen zugelassene Fahrzeuge und sie verteilten sich über das ganze Land. Fischer und Klimm stellten eine Liste zusammen, die sie ihren Kollegen in Berlin übermitteln wollten. Ebenso die vollständigen Daten des Thüringer Kommandos der Schwarzen Division, die ihnen Arndt während seines Fluges mit dem Hubschrauber mitgeteilt hatte. Mit erstaunlicher Exaktheit hatte er jede einzelne Personalie samt Adresse durchgegeben. Genauso präzise die 59 Namen derjenigen, die bei der Flugzeugexplosion ums Leben gekommen waren. Allerdings befanden sich von Arndts ursprünglich 300 Mann starkem Kommando noch circa 120 Mann in Kaunas, da sie ihre Vorbereitungen erst in 14 Tagen abgeschlossen haben würden. Diese beiden Listen waren Bestandteil des Zugriffsplans, den Bräunig und Hubaczek in Berlin ausgearbeitet hatten.
    Bundeskanzler Schreiber brauchte insgesamt über vier Stunden, um alle Regierungschefs persönlich am Telefon zu informieren. Trotz des Wochenendes waren alle erreichbar gewesen. Sie sagten ihm ihre Hilfe zu und wollten alles Notwendige veranlassen. Da die Zeit drängte, einigte man sich darauf, dass die Leiter der polizeilichen Spezialkräfte oder ihre Stellvertreter am Sonntag in München eintreffen sollten. Als Ort wurde das Hotel ›Kempinski‹ direkt am neuen Münchner Flughafen vereinbart. München konnte von allen infrage kommenden europäischen Ländern täglich direkt angeflogen werden.

    Es war 17 Uhr. Matti Klatt befand sich kurz hinter der ukrainischen Stadt Kowel.

    Zur gleichen Zeit hielten sich Peter Arndt, Zbigniew, Paweł und Dariusz kurz vor Kaunas auf. Nach dem Zwischenfall mit dem Bären gab es keine weiteren Unterbrechungen. Sie waren die letzten sechs Kilometer bis zu der litauischen Ortschaft Salaperangis zügig durch den Wald vorangekommen. Zbigniew brauchte in dem Ort nicht lange, bis er ein passendes Fahrzeug gefunden hatte. Ihm fiel ein UAZ-Geländewagen an einem Feldrand ins Auge. Die Türen waren nicht verriegelt und das Kurzschließen stellte kein Problem dar. Weit und breit war keine Menschenseele zu sehen. Sie verstauten ihre Waffen in Arndts Rucksack und fuhren über Kalvarija auf die Europastraße 67 Richtung Kaunas.
    Kaunas war die zweitgrößte und zweitwichtigste Stadt Litauens, sich ständig bemühend, an die Spitze zu kommen. Sie war seit jeher das geistige Zentrum des litauischen Volkes und eine Bastion der nationalen Eigenständigkeit. In Kaunas trafen sich zwei wichtige Verkehrsachsen: die von Norden nach Süden durch Estland, Lettland und Litauen führende Via Baltica und die Achse von Klaip ė da nach Osten. Dies schaffte sehr gute Voraussetzungen für die Errichtung einer Freihandelszone und für Investitionen.
    Als die ersten Ausläufer der Stadt am Horizont zu erkennen waren, wies Peter Arndt Zbigniew an, auf einen Parkplatz zu fahren. Da es draußen bereits dunkel war, holten sie ihre Taschenlampen hervor und schauten auf die Karte.
    Â»In ungefähr zwei Kilometern lassen wir Kaunas rechts liegen. Wir überqueren den Fluss Njemen und müssen uns in Richtung Klaip ė da einordnen. Nach weiteren fünf Kilometern verlassen wir die Autobahn und fahren Richtung Norden, auf dieser Straße hier. Es geht immer geradeaus und im