Infantizid
beendete er den Vortrag.
»Ich danke für Ihre Aufmerksamkeit«, schloss er, trank einen Schluck Wasser und schaute in die Gesichter der Polizeichefs. Einige hatten sich ein paar Notizen gemacht. Es herrschte betroffenes Schweigen. Sie alle waren es gewohnt, schwierige, fast unmögliche Aufgaben zu lösen. Das, was sie eben gehört hatten, stieà an die Grenze des Vorstellbaren.
Major Krasauskas, Leiter der Litauischen ARAS, brach das Schweigen.
»Seit über vier Jahren werden in meinem Land deutsche Söldner unter Anleitung eines Russen ausgebildet? Das ist nicht zu fassen!«
»Wie uns Ihr Staatsoberhaupt mitgeteilt hat, hängt das folgendermaÃen zusammen: Als Anfang der 90er-Jahre Litauen die Unabhängigkeit erlangte, ging es unter anderem um die Frage, wie mit den dort stationierten russischen Einheiten zu verfahren sei. Es wurde ein Vertrag aufgesetzt, der festlegte, die 7. Garde-Luftlande-Division der Fallschirmjäger Stück für Stück zu verlegen. Das wurde bis 1996 vollzogen. Allerdings machte Ihr damaliger Staatschef Landsbergis den Russen die Zusage, das Absprunggelände bis Mitte des Jahres 2004 nutzen zu dürfen. Inklusive des Status âºMilitärisches Sperrgebietâ¹. Wie ein Stück russische Immunität, etwa vergleichbar mit einer Botschaft. Oder Guantánamo auf Kuba. Keiner Ihrer Leute durfte ohne Genehmigung das Gelände betreten.«
»Wir werden den Vertrag nicht erfüllen, denke ich.« Major Krasauskasâ Körperhaltung und sein Gesichtsausdruck lieÃen keine Zweifel aufkommen, diesem Satz auch Taten folgen zu lassen.
»Richtig, Major. Sie werden mit Ihren âºAdlernâ¹ das Lager stürmen.«
Capitán Lopez war der einzige Stellvertreter in dieser Runde. Sein Chef, der Leiter der spanischen GEO, befand sich in Bagdad, im Irak, und gehörte mit besonderen Berateraufgaben zum spanischen Kontingent der sogenannten âºAllianz gegen den Terrorâ¹.
»Señor Bräunig, so, wie ich die Sache sehe, ist das kein rein deutsches Problem, das Sie hier dargelegt haben. Es handelt sich klar um ein europäisches Problem. Das kann jedem unserer Länder morgen genauso passieren. Ich gehe davon aus, dass bei uns in Spanien oder auch in anderen Ländern Europas gleich denkende Leute wie bei Ihnen in Deutschland, den Ratten ähnlich in ihren Löchern sitzend, nur darauf warten, dass es irgendwo anfängt zu brennen. Niemand weiÃ, wer die Nächsten sein werden.«
»Das kann durchaus möglich sein. Nach dem hoffentlich erfolgreichen Abschluss dieser Aktionen werden wir Ihren Ländern unser Material in Bezug auf Ermittlungen und gewonnene Erkenntnisse natürlich zur Verfügung stellen. Die Experten können daraus PräventivmaÃnahmen für die Zukunft entwickeln«, antwortete stattdessen Innenminister Schilling.
»Dann möchte ich fortfahren«, sagte Bräunig. »Es gibt auch Licht am Ende des Tunnels. Unser Bundeskanzler und der Innenminister sind sich darüber einig, dass es sich bei der entstandenen Situation um einen Verteidigungsfall gemäà unserer Verfassung handelt. Alle Befehls- und Kommandogewalt der Streitkräfte geht auf den Bundeskanzler über. Für diesen Fall existiert ein System an staatlichen MaÃnahmen, unter anderem für die SchlieÃung und Ãberwachung der Grenzen durch die Bundeswehr, die Sicherung von internationalen Flug- und Seehäfen oder abendliche Ausgangssperren für die Bevölkerung. Am Dienstagmorgen Punkt um 4 Uhr wird der Bundeskanzler die Regierungsmitglieder im Bundeskanzleramt über die Situation aufklären und der Bundespräsident gemäà unserem Grundgesetz den Verteidigungsfall ausrufen. Das ist in, jetzt ist es kurz vor 16 Uhr, knapp 38 Stunden. Oberste Priorität hat die Zerschlagung der Führungsebene der Verschwörung. Damit meine ich das sogenannte Komitee und die Führer der einzelnen Kommandos, welche die Landesregierungen stürmen sollen. Nach den ersten Festnahmen werden unverzüglich die Vernehmungen beginnen, um an weitere Namen und Adressen zu kommen. Wie ich Ihnen vorhin sagte, hat ein ehemaliges Mitglied der Schwarzen Division seine Hilfe angeboten und uns wertvolle Hinweise gegeben. Dieser Mann war der Führer des Kommandos EF. Er sprengte ein Absetzflugzeug bei einer Ãbung, konnte aber selbst entkommen. Nach seiner Aussage befinden sich noch 120 Mann in
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