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Infantizid

Titel: Infantizid Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Matthias Grit; Hoffman Bode-Hoffmann
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und schaute auf Rybakow. Seine Bewunderung für diesen Mann war offensichtlich.
    Â»Wie ich hörte, bekamen wir gestern unverhofften Besuch von einem alten Bekannten. Den wollte ich gerade begrüßen. Begleiten Sie mich doch. Danach können wir uns in Ruhe unterhalten«, entgegnete der General und gab seinen beiden Leibwächtern das Zeichen zum Aufbruch.
    Matti Klatt und Glasow schlossen sich ihnen an.

    Die Arrestzellen waren im ehemaligen Stabsgebäude untergebracht. Als die vollständige 7. Garde-Luftlande-Division noch in Kaunas stationiert war, verbrachten darin fast ausschließlich volltrunkene Angehörige die Zeit, die nötig war, bis sie wieder einigermaßen klar denken konnten. Es gab in all den Jahren keinen einzigen Tag, an dem die Zellen unbenutzt waren.
    Das Fenster war mit einer großen Metallplatte verkleidet. In der Mitte befand sich eine Öffnung, um an den Fensterriegel zu kommen. Das Bett war an der Wand befestigt. Eine Toilette oder ein Waschbecken gab es nicht. Diverse Spuren an den Wänden und auf dem Boden ließen verzweifelte, jedoch untaugliche Versuche ehemaliger Insassen erkennen, Körperflüssigkeiten, gleich welcher Art, bei sich zu behalten. Es stank erbärmlich.
    Arndt hatte die Nacht auf dem Fußboden verbracht. Ab und zu verfiel er vor Erschöpfung in kurze Schlafphasen, dann schreckte er wieder hoch. Er war seit ein paar Stunden wach und dachte darüber nach, was er tun konnte. Ihm fiel nichts ein.
    Der Hesse war ausgeschaltet worden, aber Matti Klatt hatte er nicht getroffen. Instruktionen aus Deutschland konnte er auch nicht mehr empfangen. Hoffentlich hatte Paweł das Satellitentelefon gefunden. Dann konnte er dem Innenminister von den Geschehnissen berichten. Mit ziemlicher Sicherheit wurde gerade ein Plan für die Stürmung des Lagers vorbereitet. Nur, wann fand die statt? Wie viel Zeit blieb ihm? Mit Sprüchen ließ sich General Rybakow nicht hinhalten. Der wollte konkrete Antworten. Es stand zu viel auf dem Spiel. Er wusste, dass er, Arndt, es war, der eines seiner Flugzeuge gesprengt hatte. Dabei waren Soldaten ums Leben gekommen. Und da­rauf folgte die Todesstrafe. Wenn das Urteil schon gefällt war, wozu noch lügen oder leugnen? Wozu die Schmerzen der Folter über sich ergehen lassen, um am Ende doch zu reden?
    Als sich Arndt dieser Tatsache bewusst wurde, bekam er einen Weinkrampf. In der Vergangenheit hatte er sich schon in vielen schwierigen, fast aussichtslosen Situationen befunden, deren Ende ungewiss war. Es hätte einige Male seinen sicheren Tod bedeuten können. Aber zu einem großen Prozentsatz hatte es an ihm gelegen, an seinen Fähigkeiten und seiner Risikobereitschaft, solche Situationen zu meistern. Jetzt nicht mehr. Er saß in diesem Loch und wartete auf seinen Tod. Als er sich vor ein paar Wochen dazu entschloss, den Plan zu verraten, war ihm bewusst gewesen, dass eine lange Freiheitsstrafe auf ihn wartete. Aber unter dem Aspekt, dass er leben würde. Dann hatten sich die Dinge geändert und er musste und wollte dem wahnwitzigen Treiben in Kaunas ein Ende bereiten.
    Bin ich so etwas wie ein Held oder Patriot?, fragte er sich. Bestimmt nicht. Wenn ich ehrlich zu mir selbst bin, wollte ich mit meiner Bereitschaft, noch einmal nach Kaunas zurückzukehren, meine eigene Situation verbessern. Wenn ich das hier geschafft hätte, wäre mit etwas Glück vielleicht sogar eine Begnadigung drin gewesen. Hätte! Wäre! Könnte! Wenn und Aber! Nein, das ist die bittere Erkenntnis: Es ist Schluss! Aus! Vorbei! Es gibt keine Hoffnung und es werden auch keine Wunder mehr geschehen. Man bekommt eben doch früher oder später für alles, was man im Leben macht, die Rechnung serviert.
    Als die Tür zu seiner Zelle aufgeschlossen wurde und der erste Leibwächter Rybakows eintrat, stand sein Entschluss fest. Wenn er in den Tod gehen musste, dann auf keinen Fall allein. Mindestens einer würde ihn begleiten. Er wusste auch schon, wer das sein sollte, aber das war fast unmöglich.
    Der Leibwächter mit der Glatze betrat als Erster die Zelle. Er hatte inzwischen sein Barett in seine Hosentasche gesteckt und die Ärmel hochgekrempelt. Auf seinem linken kräftigen Unterarm war eine mächtige Tätowierung zu sehen. Zwei stilisierte Flugzeuge, deren Rümpfe sich nach oben öffneten, in der Mitte ein geöffneter Fallschirm, das Zeichen der russischen

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