Infantizid
ausgesucht. Du bist ⦠der ⦠Richtige für uns. Rede ⦠mit ⦠keinem ⦠Menschen ⦠darüber. Die ⦠Zeit ⦠läuft schon. Es ⦠dauert nicht mehr ⦠lange.« Jentzsch sprach immer leiser.
Matti Klatt holte tief Luft. »Ralle, ich verstehe nicht, wovon du redest. Wer ist wir und was soll ich tun?« Er beugte sich ganz nah an den verbundenen Kopf von Jentzsch. Die letzten Worte hatte er fast geschrien.
Jentzsch fasste Klatt an den Arm. »Ruf ⦠diese ⦠Nummer an: ⦠0 8 0 0 2 5 1 1 1 9 5 9  ⦠Sag,  ⦠dass ⦠du ⦠eine ⦠wissenschaftliche  ⦠Abhandlung ⦠über ⦠Fortpflanzung  ⦠von Löwen suchst ⦠Sie melden ⦠sich ⦠bei ⦠dir.  In⦠fan⦠tiâ¦Â«
Die Linie auf dem Monitor war gerade und der Griff an Matti Klatts Arm war keiner mehr. Ohne Zweifel, Ralph Jentzsch war in diesem Augenblick gestorben. Er war tot. Ein Arzt und eine Schwester kamen in das Zimmer gerannt und versuchten, ihn wiederzubeleben. Nach ein paar Minuten schüttelten sie den Kopf.
Matti Klatt war fassungslos. Aus. Ende. Schluss. Endgültig. Er hätte noch so viele Fragen an ihn gehabt, ihm so viel erzählen wollen. Zum ersten Mal sah er mit an, wie ein Mensch die Grenze überschritt, und musste erkennen, wie plötzlich ein Leben beendet sein konnte. Unbegreiflich und doch real. Der Mann, der ihm vor vielen Jahren das Leben gerettet hatte, als er beinahe in der Elbe ertrunken wäre, starb neben ihm. Er war einmal sein bester Freund gewesen.
Samstag, 25. Oktober 2003, 5:55Â Uhr, Polizeiinspektion
Die Polizeiinspektion Weimar befand sich etwas nördlich vom Zentrum der Stadt in der Carl-von-Ossietzky-StraÃe, Ecke Ernst-Thälmann-StraÃe. Sie war im Historischen Landgericht untergebracht. Dabei handelte es sich um ein schönes, altes Gebäude aus der Anfangszeit des 20. Jahrhunderts. Beim Betreten des Hauses hatte man unweigerlich das Gefühl, dass seit dieser Zeit auch nichts mehr an der Inneneinrichtung verändert worden war. Fenster, Türen und FuÃböden waren seit Jahrzehnten nicht mehr erneuert worden. Ebenso die Anstriche und Tapeten an den Wänden. Wie überall im Land wurde auch hier drastisch gespart. Erstaunlich genug, dass die Beamten einigermaÃen vernünftige Computer zur Verfügung gestellt bekommen hatten. Wenn man sie jedoch mit zwei Fingern auf der Tastatur herumstochern sah, wusste man sofort, dass sie sich die Bedienung derselben mehr oder weniger selbst beigebracht hatten. Für die entsprechende Ausbildung fehlten das Geld und vor allem die Zeit. Ausnahmslos alle Abteilungen waren personell unterbelegt. Die Grenze des Erträglichen war schon vor langer Zeit erreicht worden. Die Politiker und die Bürger gleichermaÃen erwarteten von ihrer Polizei ein Höchstmaà an Präzision und Professionalität, schlieÃlich wurden diese von Steuergeldern bezahlt. Das setzte aber zumindest die entsprechende Ausrüstung voraus um der stetig anwachsenden Kriminalität Herr werden zu können. Forderten die Polizeibeamten diese Ausrüstung, stieÃen sie auf taube Ohren. Viele waren frustriert und machten eben Dienst nach Vorschrift.
Matti Klatt betrat das Gebäude durch eine riesige Holztür und fragte den dicken Polizisten hinter der Glaswand, wo die Abteilung von Hauptkommissar Bräunig untergebracht sei. Da Bräunig diesen bereits darüber informiert hatte, dass ein Mann namens Klatt hier auftauchen würde und zu ihm wollte, nannte er ihm das Stockwerk und die Zimmernummer.
Ein merkwürdiges Gefühl, dachte Matti Klatt, als er die Stufen hinaufging. Von einer Sekunde auf die andere ist alles vorbei. Endgültig. Kein zurück. Man ist tot und das war es. Es war immer noch unfassbar.
Nachdem er Jentzschs Krankenzimmer verlassen hatte, bat ihn Hauptkommissar Bräunig, um sechs auf die Dienststelle zu kommen. Seine Aussage sollte protokolliert werden. Matti Klatt war nach Hause gefahren, hatte geduscht und ein paar frische Sachen angezogen. Jetzt betrat er das Zimmer von Bräunig. Es war ein gröÃeres Büro mit einem Schreibtisch, der voll von Akten und Unterlagen war. An seiner Stirnseite befand sich ein langer Tisch mit insgesamt zehn Stühlen. Auf der einen Seite des Raumes
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