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Infantizid

Titel: Infantizid Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Matthias Grit; Hoffman Bode-Hoffmann
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von vor langer Zeit.
    Â»Ich kannte ihn sehr gut. Wir haben zusammen in der Armee gedient und waren früher wie Brüder.«

    Dezember 1978, gesamtes Gebiet der Insel Rügen
    Selbst die ältesten Einheimischen konnten sich später nicht erinnern, einen solchen Wintereinbruch jemals miterlebt zu haben. Der Schneesturm kam plötzlich und wurde immer stärker. In der Vergangenheit war nach drei oder vier Tagen, spätestens jedoch nach einer Woche der Höhepunkt überschritten. Diesmal nicht. Das Ausmaß war für die Bewohner sämtlicher Dörfer, Städte und Gemeinden der Insel Rügen katastrophal. Strom und Wasserversorgung brachen völlig zusammen. Die ohnehin wenigen Telefonanschlüsse funktionierten bereits nach den ersten Stunden nicht mehr. Sämtliche Straßen und Schienenwege waren unpassierbar. An Flugverkehr war gar nicht zu denken. Die Versorgung der Bevölkerung in den abgelegenen Gebieten geriet in ernste Gefahr. Stellenweise wurden Menschen, die in Krankenhäusern lagen, zu Bahnhöfen gebracht, wo sie in beheizbare Dieselloks umgebettet wurden. Das galt insbesondere für Schwangere. Nicht nur ein Kind wurde in diesen Nächten in einer Diesellok geboren.
    Die Einzigen, die Erste Hilfe leisten konnten, waren die Fallschirmjäger. Nachts gegen 3 Uhr wurde das gesamte Bataillon alarmiert und angewiesen, die Skiausrüstung in Empfang zu nehmen. Alle, natürlich auch Jentzsch und Klatt, mussten ihre Tornister, die normalerweise mit militärischem Gerät wie Minen, Sprengstoff, Waffen und Ähnlichem vollgepackt waren, entleeren. Da die Schneeverwehungen teilweise über zehn Meter hoch waren, machte sich das Bataillon mitten in der Nacht auf Skiern in die circa 15 Kilometer entfernte Kreisstadt Bergen, dem kulturellen und kommunalpolitischen Zentrum auf, zum Katastrophenstützpunkt. Als Erstes wurden Gruppen gebildet, die in die entlegensten Orte laufen mussten. Die Tornister wurden mit Brot, Wurst und Milch gefüllt. Dann ging es mit Karte und Kompass in die eingeschneiten Dörfer, um dort Essen zu verteilen. Andere Gruppen waren dazu bestimmt, Leute wie Elektriker, Hebammen und so weiter zu suchen, die während des Wintereinbruchs unterwegs und noch nicht am Ziel angekommen waren. 90 Prozent dieser Vermissten wurden später tot aufgefunden, erfroren oder im Auto erstickt. Nach ungefähr einer Woche waren die Straßen wieder einigermaßen passierbar und andere Rettungskräfte trafen ein. Das Bataillon wurde wieder in die Kaserne zurückverlegt.

    Die Spezialisierung der neuen Rekruten war fast abgeschlossen. Die 17 Bewerber für den Sprengtaucherzug wurden in eine Schwimmhalle gefahren, wo sie ein paar Tests machen mussten. Der Einstieg war ein Sprung vom Zehn-Meter-Turm. Dann galt es, so weit, wie es nur ging, ohne Gerät zu tauchen und im Folgenden in allen vier Grundschwimmarten nach Zeit zu schwimmen. Nach einem 1.000-Meter-Schwimmen im Kampfanzug stellten sich alle Bewerber quer am Beckenrand auf. Auf Kommando sprangen alle in das Bassin, durchtauchten es und hievten sich auf der gegenüberliegenden Seite wieder heraus. Der jeweils Letzte konnte sich umziehen gehen. Nach dieser Nacht standen die fünf neuen Sprengtaucher fest: Müller, Morgner, Theiß, Jentzsch und Klatt. Sie zogen noch in derselben Nacht in ihr neues Quartier.
    Der schikanöse Drill wurde im Laufe der Zeit etwas weniger, der militärische nahm zu. Der kleine Sprengtaucherzug bestand, wie das gesamte Bataillon, auch aus drei Dienstjahren. Um die ›Frischen‹ so schnell wie möglich an die Leistungsfähigkeit der ›Alten‹ heranzuführen, wurde auf verschärftes Tempo geachtet. Sie lernten zu ihrer normalen Ausbildung, was ein Druckluft- und Kreislauftauchgerät war, besuchten Lehrgänge, lernten, über und unter Wasser zu sprengen und bei Tag und Nacht zu tauchen. Zusammen mit den Kampfschwimmern der Marine sprangen sie von Torpedoschnellbooten, übten das Anlanden an Küsten sowie das Eindringen in feindliche Häfen und jagten scharfe 500-Kilo-Wasserminen in die Luft. Sie sprangen ebenfalls bei Tag und Nacht mit Fallschirmen aus Flugzeugen oder ohne Fallschirme aus der Standschwebe von Hubschraubern über der Ostsee ab. Bei Kursen im Binnenland lernten sie, Brücken und Talsperren zu sprengen und, während der Gebirgsausbildung, wie man von einem felsigen Berg direkt in einem See

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