Infantizid
Bereich lange nichts Spektakuläres passiert war, würde sich jeder Journalist auf diese Story stürzen. Solange sie noch in den Ermittlungen steckten, musste das auf jeden Fall verhindert werden.
»Gut, dann können wir ja weitermachen, wir sind noch nicht fertig«, sagte Bräunig.
Das war die Aufforderung an Fischer fortzufahren. Der schaltete jetzt das Band ein.
Ralle, ich verstehe nicht, wovon du redest. Wer ist wir und was soll ich tun?
Die Stimme von Matti Klatt war sehr laut.
Ruf ⦠diese ⦠Nummer an: ⦠0 8 0 0 2 5 1 1 1 9 5 9  ⦠Sag, ⦠dass ⦠du ⦠eine ⦠wissenschaftliche  ⦠Abhandlung ⦠über ⦠Fortpflanzung ⦠von Löwen suchst ⦠Sie melden ⦠sich ⦠bei ⦠dir  ⦠In ⦠fan ⦠tiâ¦
»Das war alles. Wie wir wissen, starb er kurz darauf.« Fischer stellte das Band ab.
»Da Jentzsch seine Aufgabe oder Mission offensichtlich nicht ganz erfüllen konnte, gibt er Herrn Klatt einen Hinweis, wie er erfahren kann, warum er auserwählt wurde und von wem. Im ersten Moment klingt es merkwürdig, eine wissenschaftliche Abhandlung per Telefon zu suchen, ist es aber nicht. Solche Sachen werden häufig praktiziert. Ich habe in unserem internen Register nachschauen lassen, zu wem diese Nummer gehört. Es handelt sich um eine Firma namens Omicron AG mit Sitz in Erfurt. Mit einer ausführlichen Recherche zu dieser Firma kann ich auch erst am Montag beginnen. Das letzte Wort von Jentzsch oder, besser gesagt, der letzte Wortfetzen: I N F A N T I ergibt einen Sinn im Zusammenhang mit der Fortpflanzung von Löwen. Als Erstes habe ich mich nur auf die Buchstaben konzentriert. Dieses Wort existiert so geschrieben nicht. Also habe ich ähnlich klingende Wörter gesucht: Infanterie, Infant, infantil, Infantin und so weiter. Keiner dieser Begriffe steht aber mit der Fortpflanzung von Löwen in einem Zusammenhang. Auch ein Austausch der Buchstaben brachte nichts, nur unsinniges Zeug. Deshalb versuchte ich, in der Kürze der Zeit etwas über Löwen zu finden. Dank des Internets landete ich nach einer halben Stunde Suche einen Volltreffer. Ich habe mir das Wichtigste herausgeschrieben:
âºLöwen zeigen scheinbar die ausgeprägtesten kannibalistischen Züge bei höher entwickelten Säugetieren. Das Töten der anderen Jungen liegt in dem Drang begründet, den eigenen Nachkommen zu Vorteilen zu verhelfen. Das Töten der Jungen kann man besser als INFANTIZID beschreiben denn als Kannibalismus, da die Löwen in der Regel die Jungen nach dem Töten nicht fressen. Sie töten nicht ihren eigenen Nachwuchs, sondern den anderer Paare. Warum machen die Männchen so etwas? Zum einen ist die Fortpflanzungsrate der Löwen relativ gering, da die Weibchen nur alle zwei Jahre werfen. Sie sind erst wieder paarungsbereit, wenn ihre Jungen selbstständig sind. Die Löwenmännchen haben somit nur etwa alle drei Jahre die Möglichkeit zur Fortpflanzung. Tötet es die Jungen, regt es damit das Weibchen zur Paarung an und es hat zudem mögliche spätere Rivalen für seinen eigenen Nachwuchs ausgeschaltet.â¹
Jentzsch sagte zu Herrn Klatt, er solle eine Abhandlung über die Fortpflanzung von Löwen über eine angegebene Rufnummer suchen. Warum sagt er das Wort âºInfantizidâ¹ zum Schluss? Denn nur dieses Wort kann er damit gemeint haben, wie wir gerade gehört haben.«
»Es ist ein Codewort oder Erkennungszeichen.« Kratzenstein erhob sich und ging auf und ab. »Hat einer von euch dieses Wort schon einmal gehört? Ich nicht.«
»Nein, ich auch nicht.« Matti Klatt stand ebenfalls auf. »Mit viel Fantasie hätte ich mir vorstellen können, dass es etwas mit Tod zu tun haben könnte, aufgrund der Endung -zid. Ãhnlich wie bei Suizid. Wir können nur darüber spekulieren, ob er mir einen Hinweis geben wollte oder ob da ein tieferer Sinn dahintersteckt. Wollte er das Wort überhaupt sagen? So, wie ich die Sache sehe, gibt es nur einen Weg, das herauszufinden: Ich muss diese Nummer anrufen.«
Etwas an dieser Nummer war merkwürdig, nur was?, dachte er und setzte sich wieder. Er betrachtete die Zahlen, die er sich aufgeschrieben hatte. Dann begriff er und erschrak.
Zur gleichen Zeit lenkte Staatsanwalt Feller gerade seinen
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