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Infantizid

Titel: Infantizid Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Matthias Grit; Hoffman Bode-Hoffmann
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umfangreichen Streikbewegung die Gewerkschaft ›Solidarität‹, die von der Regierung auch anerkannt wurde. In der Bundesrepublik Deutschland kochte das Volk und brachte seinen Unmut gegen den NATO-Doppelbeschluss auf den Straßen bei Demonstrationen zum Ausdruck.
    Als die Dritte Fallschirmjägerkompanie zusammen mit den fünf Männern des Sprengtaucherzuges geschlossen wieder aus dem Urlaub in der Kaserne eintraf, wollten sie ihren Augen nicht trauen. Abflugbereite Hubschrauber standen auf dem Gelände. Sämtliche Ausrüstung war verladen, die Fallschirme standen ordentlich aufgereiht vor den Maschinen. Alle empfingen ihre Waffen und warteten auf den Abmarschbefehl. Die Fallschirmjäger hatten die Aufgabe erhalten, das Regierungsviertel und die komplette militärische Führung der DDR zu schützen, falls die Unruhen in Polen weitergehen sollten. Dazu sollten sie nach Berlin und Straußberg geflogen werden. Sie lagen tagelang mit schussbereiten Waffen unter dem Bett in Bereitschaft. An Urlaub oder Ausgang war nicht zu denken.
    Unter dem Bett von Jentzsch lag keine Waffe. Er wollte nicht mehr. Einfach so, ohne Begründung. Matti Klatt fragte ihn nach dem Warum. Ob er Angst habe, wenn es ernst würde und sie in eine militärische Auseinandersetzung gerieten. Nein, das sei es nicht. Er mache das nicht mehr mit, meinte er nur. Was in diesem letzten Urlaub mit ihm geschehen war, blieb verborgen.
    Und dann ging alles sehr schnell. Er wurde degradiert und in Unehren nach bis dahin absolvierten eineinhalb Jahren entlassen. Aus, Schluss, vorbei. Er hatte sich nie wieder bei Matti Klatt oder den anderen gemeldet. Für alle war es unerklärlich, wie es zu diesem Sinneswandel kommen konnte. Matti Klatt schrieb an die Freundin von Jentzsch und bat sie um Aufklärung. Sie antwortete jedoch nur, dass er sie verlassen habe.

    Samstag, 25. Oktober 2003, 9:05 Uhr, Polizeiinspektion
    Bräunig sah Hubaczek an. »Wenn ihr in Berlin seid, müsst ihr ab Mitte des Jahres 1980 mit den Recherchen über Jentzsch anfangen. Herr Klatt, versuchen Sie sich an den Namen seiner damaligen Freundin zu erinnern. Vielleicht können wir sie aufspüren und sie kann uns weiterhelfen. Über ihren Mädchennamen müssten wir sie finden können. Also gut, so viel zu der Verbindung von Jentzsch zu Herrn Klatt. Fischer, was sagt uns der Dialog auf dem Band?«
    Der Angesprochene blickte auf seine Aufzeichnungen und begann: »Zuerst sagt er: › Das Geld war für dich bestimmt. Wenn du auf meinen Vorschlag so nicht eingegangen wärst, dann hätte ich es mit dem Geld versucht.‹ Ich denke, hier haben wir das Motiv für den Raubüberfall.«
    Alle im Raum Anwesenden stimmten mit Fischer überein. Jentzsch hatte nur ungefähr ahnen können, wie viel so ein Beutezug an einem Freitagabend aus einem großen Einkaufscenter einbrachte. Mit ein wenig Fantasie konnte er schon von einer größeren Summe ausgehen.
    Â»Auf die Frage von Herrn Klatt : ›Für mich? Was für einen Vorschlag wolltest du mir unterbreiten?‹ , antwortet er : ›Bitte hör mir genau zu. Komm näher, gut so.‹ Dieser erste Teil deutet darauf hin, dass er seine Informationen nur an ihn weitergeben wollte. Es sollte kein anderer davon erfahren. Später äußert er das noch einmal. Dann sagt er: › Wir werden das Land retten. Es wird eine neue Ordnung geben.‹ Die Worte › werden‹ und › wird‹ bedeuten, dass, was es auch immer sein mag, bereits beschlossene Sache ist. Wen er mit › wir‹ meint, ist unklar. Sicherlich mehrere Leute. › Neue Ordnung‹ lässt vermuten, dass mit der jetzigen Ordnung etwas nicht stimmt. Da er bestimmt nicht die Ordnung in einem Kleiderschrank meint, gehe ich davon aus, dass es sich um die Gesellschaftsordnung handelt.«
    Im Raum herrschte absolute Stille. Sicher, um was sollte es sich sonst handeln? Bräunig sah in die Runde. Den Gesichtsausdrücken der anderen nach zu urteilen, schienen diese ähnlich zu denken.
    Â»â€ºDas ist die letzte Möglichkeit, dem Chaos ein Ende zu machen.‹ Er bringt die Worte ›Ordnung‹ und ›Chaos‹ miteinander in Verbindung. Keine Ordnung kann unter Umständen Chaos bedeuten. Ich denke, er meint, dass die jetzige Gesellschaftsordnung das reinste Chaos ist. ›Du sollst mit dazu gehören. Wir nehmen nur die Besten.‹ Das

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